Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
Vom Netzwerk:
was lesen Sie gerade, Herr Lund?«
    In diesem Moment fiel sein Blick auf den niedrigen Tisch am Sessel. Halb verdeckt von einer Zeitung lag ein dicker Roman. Lund folgte seinem Blick.
    » Verbrechen und Strafe von Dostojewski. Man sollte die alten Russen bisweilen wiederlesen. Danach wartet Väter und Söhne . Turgenjew, wissen Sie?«
    Nein, wusste Lars nicht. Trotzdem versuchte er zu lächeln.
    »Und mehr haben Sie nicht zu berichten? An dem Abend ist sonst nichts passiert? Noch irgendetwas … anderes?«
    Lund schüttelte den Kopf.
    »Ich bin so gegen 23:00 Uhr ins Bett gegangen. Aufgewacht bin ich dann kurz nach eins. Ich ging hinunter, kochte Tee und las, aber es dauerte nicht lange, bis das Mädchen anfing.« Er nahm das Buch in die Hand. »Davor habe ich weder etwas gesehen noch etwas gehört, aber ich hatte ja auch die Musik an.«
    Sanne nickte.
    »Vielen Dank, Herr Lund. Kann sein, dass wir uns noch einmal bei Ihnen melden.«
    Lars folgte ihr in den Flur. Auf dem Weg zur Tür drehte er sich noch einmal um.
    »Haben Sie Kinder, Herr Lund?«
    Lund machte ein überraschtes Gesicht.
    »Zwei Töchter. Wieso fragen Sie?«
    »Väter und Söhne, Herr Lund. Väter und Söhne.«
    Lund blinzelte nur ein einziges Mal.
    »Wir alle hatten einen Vater, Herr Kommissar.«

41
    Sanne ließ das Seitenfenster hinunter. Der Geruch von Verbrennungsmotoren und Flieder erfüllte das Wageninnere. Die Kleingärtner strömten in ihre Gärten an der Ole Olsens Allé. Der Himmel war hoch und sommerlich tief.
    Lars hielt an der Bordsteinkante. Ein alter Holunderstrauch hing über der Hecke. Vor ihnen parkte ein älterer offener Sportwagen, ein auberginefarbener MG Austin-Healey Sprite. Lars öffnete die Tür und stieg aus. Eine Kohlmeise flog aus den niedrigen Zweigen, flatterte einen Moment über dem Auto und stieg dann zwitschernd auf.
    »Noch jemand, der sauer ist. Kommst du mit rein?«
    »Tja, warum nicht?« Sanne stieg aus.
    Eine große, kastenförmige Backsteinvilla mit enormen Fenstern in einem offenen Garten. Die Fensterflächen reflektierten das scharfe Sonnenlicht.
    »Funktionalismus«, sagte Sanne. »Könnte von Arne Jacobsen sein.«
    »Echt?« Lars drehte sich auf dem Gartenweg zu ihr um. Dann standen sie vor der Haustür, er klingelte. An der Tür stand Møller. Ditlev, Margit und Christian.
    Dreißig Sekunden vergingen. Schlendernde Schritte näherten sich auf der anderen Seite der Tür. Christian öffnete.
    »Lars«, sagte er. »Noch mal danke für gestern.« Er trocknete sich mit einem grünen Handtuch die Haare. »Was machst du hier?«
    »Hallo, Christian. Das ist meine Kollegin Sanne Bissen. Dürfen wir einen Moment stören? Sind deine Eltern zu Hause?«
    »Kommt rein.« Christian breitete die Arme aus und trat zur Seite. »Mein Vater ist in der Klinik. Und Mutter … Ich weiß nicht. Vielleicht einkaufen? Ich war im Keller.« Er lächelte, sah an sich herunter.
    »Und der Wagen da draußen …« Lars zeigte hinter sich.
    »Oh, das ist meiner.« Christian schloss die Tür hinter ihnen. »Kann ich euch irgendetwas anbieten?«
    Lars schüttelte den Kopf und schaute sich um. Eine Treppe führte in die erste Etage. Türen öffneten sich zum Rest des Hauses. Ein großes modernes Gemälde füllte die gesamte Wand rechts von ihnen aus. Schwarze und braune Striche. Kreise tanzten über die weiße Leinwand.
    »Nein danke. Wir haben nur ein paar Fragen. Wir müssen gleich weiter.«
    »Wenn ich behilflich sein kann …«
    Lars zog das Foto aus der Jackentasche. Er hatte es zusammenfalten müssen und tat nun sein Bestes, um es wieder zu glätten. Er hatte nicht darüber nachgedacht, wie er die Befragung angehen wollte. Er improvisierte einfach.
    »Dieses Foto wurde in der Nacht auf Samstag im Penthouse gemacht. Kannst du uns sagen, ob du das bist, der da an der Bar steht?« Er zeigte auf die Gestalt, die halb verdeckt hinter einem gebückten Rücken stand. Sanne lehnte am Türrahmen und verfolgte das Gespräch mit einem desinteressierten Gesichtsausdruck. Ihre Augen schwirrten allerdings im Rhythmus der Befragung von einem zum anderen.
    Christian brauchte nicht lange.
    »Na ja, ist schwer zu erkennen. Aber ich war an dem Abend da, ich hatte gerade zwölf Punkte in Dänisch bekommen. Es gab was zu feiern.« Er nickte. »Das dürfte ich sein. Ist das die Frau, die vergewaltigt wurde?« Er zeigte auf Lene.
    »Das ist Lene. Eine Polizeianwärterin. Sie wurde an diesem Abend überfallen.« Er sah Christian in die Augen. Der Junge

Weitere Kostenlose Bücher