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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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sich an. Sie fuhren auf die Hambrosgade und bogen links ab auf den H .- C .-Andersen-Boulevard. Sie zog einen Haufen Papier aus ihrer Tasche, blätterte darin.
    »Ich werde nie lernen, diese Straßen auseinanderzuhalten. Ah, hier ist es. Brogårdsvej.«
    »Geht es um die schwarze Prostituierte?« Lars fuhr am Rathausplatz vorbei. »Ich habe davon in der Zeitung gelesen.«
    »Ja, dort wohnt der Mann, der auf dem Revier angerufen hat. Die Kollegen haben ihn vernommen, aber ich würde gern …« Sie unterbrach sich. »Es ist unglaublich. Niemand hat etwas gesehen. Aber wenn Ruhe und Ordnung gestört werden, weil sie dort steht und vor Angst und Schmerzen schreit, dann rufen sie an, damit sie abtransportiert wird.«
    Lars fuhr weiter über die Gyldenløvsgade.
    »Ist es okay, wenn wir kurz bei mir vorbeifahren? Ich muss noch was holen.« Der Seepavillon und die Seen. Sonnenglitzern auf den Wellen. Die Irma-Reklame am Sortedamsø. Sanne nickte.
    »Entschuldigung, ich habe dich unterbrochen«, sagte er. »War das euer Mann?«
    »Sieht so aus. Frelsén ist ziemlich sicher. Der gleiche Schnitt, die gleiche Vorgehensweise. Enucleatio bulbi, Entfernung des Augapfels. Abgesehen davon, dass sie sich befreien konnte. Und bei dir?«
    »Ach, nur ein paar Sachen, die ich überprüfen will.«
    Lars bog rechts ab in die Lundtoftegade. Am Folmer Bendtsens Plads hielt er direkt gegenüber der Hochbahn am Straßenrand.
    »Ich bin in zwei Minuten zurück.«
    In der Wohnung ging er ins Badezimmer, hockte sich hin und zog einen Beutel für Beweismittel aus der Jackentasche. Mit einem Kugelschreiber öffnete er den Mülleimer, wühlte sich durch Kleenex, Haarbüschel und Zahnpastatuben. Dort lag es, halb versteckt von der Pappschachtel eines Mascara-Stifts. Blassgelb und verschrumpelt, mit einem Knoten verschlossen. Er wusste, dass er es eigentlich nicht tun sollte. Er kniff einmal kurz die Augen zusammen, dann steckte er den Kugelschreiber hinein und hob das benutzte Kondom in die braune Papiertüte.
    Als er zum Auto kam, lehnte sie am Seitenfenster und betrachtete das Instrumentenbrett. Er stieg ein.
    »Irgendetwas nicht in Ordnung?«
    Sanne antwortete nicht, sie schien irgendwo anders zu sein. Sie zuckte zusammen, als er die Tür zuwarf.
    »Was?«
    »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    »Na ja …« Sanne schloss die Augen. »Ich habe mich gestern blamiert. Ulrik … nein, vergiss es.« Sie brach ab, starrte aus dem Fenster. Lars warf ihr einen raschen Blick zu, dann drehte er den Zündschlüssel.

40
    Frelsén hatte die Beine auf den Tisch gelegt, die rot-lila gestreiften Socken steckten in einem Paar abgetragener brauner Lederschuhe. Ein Papierstapel, der dort gelegen hatte, wo nun die Füße ruhten, hatte sich über den Boden verteilt. Die goldgefasste Brille saß auf seiner Stirn, seine Augen waren geschlossen.
    Schlief er?
    Lars hob die Hand, um an die offene Tür zu klopfen.
    »So etwas nennt sich Meditation.« Der Rechtsmediziner hielt die Augen geschlossen, der Mund bewegte sich kaum. »Und man stört den Meditierenden nicht. Setz dich dort in die Ecke, ich bin gleich fertig.«
    Lars sah sich in dem schmalen Büro um. Aus dem Fenster blickte man auf den Parkplatz hinter dem Hauptgebäude des Rigshospital. Der enorme Schreibtisch stand an der rechten Seitenwand, über die linke Wand zogen sich Bücherregale, die unter der Last der dicken Wälzer zusammenzustürzen drohten. In der Ecke an der Tür fand Lars einen Stuhl. Er legte Berichte und einen Stapel, der aussah wie ein kompletter Jahrgang von The American Journal of Forensic Medicine and Pathology , auf den Boden, setzte sich und wartete.
    »So, jetzt bin ich wieder da.« Der Gerichtsmediziner öffnete die grauen Augen und fixierte ihn.
    Lars zog den braunen Papierbeutel aus der Sakkotasche.
    »Ich möchte dich um einen schnellen DNA -Test bitten. Schnell im Sinne von: Ich bekomme das Resultat noch heute.«
    Frelsén betrachtete den Beutel und kniff die Augen zusammen.
    »Du weißt genau, dass du damit zur Genetikabteilung musst. Die können eine eilige Analyse an einem Tag durchführen. Die dich 60.000 Kronen kostet. Hast du das Budget dafür?«
    Lars reichte Frelsén die Tüte.
    »Ich dachte eher, ob du nicht selbst … ein bisschen zaubern könntest?«
    Frelsén nahm den Beutel, guckte hinein.
    »Und warum, wenn man fragen darf, gibst du so viel Gummi? Pun intended, of course. «
    »Sagen wir einfach, es ist so ein … Gefühl.«
    »Privat also?«

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