Blutwurstblues. Ein Mick-Brisgau-Krimi: Der große Roman mit dem Team von Der letzte Bulle (German Edition)
»Mit dem am allerwenigsten. Er ist ja ein Teil von dem Problem.«
Mick stieß den Qualm aus. Er sah sich in seinem Bild von Paul Schreiner bestätigt. So einen eitlen Poser konnte man einfach in der Pfeife rauchen, wenn’s mal hart auf hart kam.
»Sie halten Paul wahrscheinlich für einen elenden Angeber.«
Aus purer Rücksichtnahme gab sich Mick alle Mühe, seine Mimik zu einem Ausdruck à la »Nein, nicht doch!« zu verziehen, doch Lena fuhr unbeirrt fort.
»Ist schon gut. Viele tun das. Thomas auch, also stimmt es wahrscheinlich sogar. Mir hat Paul aber das Gefühl gegeben, dass er mich wirklich liebt und … das war damals wichtig für mich.«
Lena wischte sich über die Augen und sprach weiter.
»Ich war einsam, nachdem mein erster Mann so früh gestorben war, und als Paul dann kam, war das wie ein Geschenk. Aber es war nur für mich ein Geschenk. Thomas konnte Paul von Anfang an nicht ausstehen. Und ich? Selbst als Thomas zu seinem Großvater zog, bin ich bei Paul geblieben, anstatt mich um meinen Sohn …« Ihre mittlerweile mehr als wackelige Stimme zwang Lena, einen Moment zu pausieren.
»Heute komme ich mir so egoistisch vor und muss mich fragen, ob Thomas wohl noch leben würde, wenn ich nicht mein Glück über das von meinem Sohn gestellt hätte. Verstehen Sie?« Lena sah Mick mit großen Augen an.
Mick nahm einen Zug von der Zigarette und ließ sich mit der Antwort Zeit. Er verstand Lenas Dilemma, und letztlich konnte wohl niemand sagen, ob Thomas noch leben würde, wenn sich Lena ihrem Sohn zuliebe von ihrem neuen Mann getrennt hätte. Aber Mick war schon aus ganz persönlichen Gründen kein Freund des theoretischen »Hätte, könnte, wenn und aber«. Schließlich hatte er die Kugel im Kopf und damit sein gesamtes Schicksal auch nur einer Verkettung unglücklicher Umstände zu verdanken. Hätte er nicht zur falschen Zeit die falsche Tür geöffnet und hätte sich dahinter nicht auch noch der falsche Junkie versteckt, sein Leben wäre anders verlaufen. Nur brachte ihn das heute auch nicht weiter. Mick sprach deshalb aus voller Überzeugung, als er sich Lena wieder zuwandte.
»Frau Lobwohl. An dem Tod Ihres Sohnes ist nur einer schuld. Der, der ihn erschlagen hat. Und ich verspreche Ihnen, dass ich alles unternehmen werde, den Kerl zu fassen.«
Micks Worte schienen Lena etwas Hoffnung zu geben. Jedenfalls hellte sich ihr Gesicht ein wenig auf.
»Danke … und entschuldigen Sie, dass ich Sie belästigt hab.« Lena wandte sich zum Gehen. Mick blickte ihr einen Moment lang nach.
»Frau Lobwohl.«
Sie drehte sich um.
»Wenn Sie einen Rat wollen. Halten Sie sich an die Familie, die Ihnen bleibt, und damit mein ich auch Ihren Vater. Schuldzuweisungen bringen Sie nämlich grad genauso wenig weiter wie Selbstvorwürfe.«
3
»Was ist denn das hier?! Ich will ins Bett, zum Teufel.«
Meisner war gereizt. Die ganze Nacht hatte er sich um die Ohren geschlagen, um so schnell wie möglich erste Ergebnisse liefern zu können. Jetzt stand er am frühen Sonntagmorgen zwar mit Mick im Labor, aber Andreas ließ auf sich warten.
»Ach, Andreas verspätet sich sicher nur, weil er dir noch schnell ’n Shampoo kauft«, wiegelte Mick mit einem Grinsen ab und deutete auf Meisners Haare, wo sich immer noch Reste der Taubenscheiße fanden.
Meisner warf Mick einen bösen Blick zu. »Sie sind so unglaublich witzig, Herr Brisgau.« Mehr brachte er, müde, wie er war, nicht zustande.
Mick hatte ein Einsehen. Man trat nun mal nicht auf Liegende, oder, wie in Meisners Fall, auf jemanden, der wohl grad nichts lieber täte, als sich hinzulegen. Mit Meisner ausnahmsweise mal keine »Freundlichkeiten« auszutauschen machte es jedoch nicht leichter, die Wartezeit zu überbrücken.
»Und? Hast du noch mal mit Andreas’ Mutter …« Auch keine gute Idee. Mick merkte es sofort. Das kleine amouröse Abenteuer zwischen dem Rechtsmediziner und Gabi Kringge, das auf dem Präsidium und besonders bei Andreas für mächtig viel Ärger gesorgt hatte, war wohl auch nicht das optimale Thema für einen Smalltalk. Da war das Schweigen im Walde doch noch besser. Also schwiegen sie … und schwiegen weiter.
Mick blickte sich um. Auch die Einrichtung des Labors gab wenig an unverfänglichen Themen her. Ein zentraler, runder Arbeitsplatz mit irgendwelchen Analysegeräten, ein Obduktionstisch und ein Kühlschrank, dessen einzige Besonderheit war, dass in ihm nicht regelmäßig »geräubert« wurde, aber das lag wohl am Inhalt. Alles
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