Boardwalk Empire
in kürzester Zeit eine steile Politikerkarriere hin. Innerhalb von zwölf Jahren brachte er es vom Stadtrat der Nachbarstadt Linwood bis zum Vorsitzenden des Bezirksausschusses, ins Parlament des Bundesstaates und gleichzeitig ins Rathaus von Atlantic City. Vor seiner Ernennung zum Stadtrat kam es allerdings zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über seinen Wohnort. Wie viele Tausend andere gebürtige Bürger von Atlantic City war Matthews aufs Festland abgewandert, als es mit der Stadt bergab ging. Erst mit der Legalisierung des Glücksspiels zog es ihn wieder zurück. Seine politischen Feinde wollten seine Rückkehr gerichtlich verhindern, aber Matthews blieb siegreich und ließ sich als Kandidat für den Stadtrat aufstellen. Im Juni 1982 wurde er, nach einer Änderung des Wahlrechts, mit zweihundert Stimmen Vorsprung zum Bürgermeister von Atlantic City gewählt.
Schon nach kurzer Zeit geriet Matthews’ Ego außer Rand und Band. Er war ohnehin nicht als großzügig bekannt, aber als er öffentlich die Zusammenarbeit mit seinem schwarzen Gegenkandidaten James Ursy ablehnte, war klar, dass er niemand anderen neben sich im Rampenlicht duldete. Schon bald hatte Matthews einen Prozess wegen illegaler Wahlkampfspenden am Hals, den er zwar gewann, der aber einen Teil der Öffentlichkeit gegen ihn einnahm. Die täglichen Schlagzeilen waren ihm sicher, aber eine vernünftige Zusammenarbeit mit dem überwiegend schwarzen Stadtrat kaum noch möglich.
Matthews genoss seine Prominenz und inszenierte sich als Einzelkämpfer für die Rechte der Unterdrückten. Doch hinter seinem schneidigen Auftreten verbarg sich eine unreife und paranoide Persönlichkeit, die es ihm unmöglich machte, dauerhafte Bündnisse einzugehen. Er verfügte weder über einen Kreis aus Vertrauten noch über einen festen Stamm aus Mitarbeitern, auf die er sich verlassen konnte. Er blieb sogar gegenüber seinen Unterstützern distanziert. Als er zum Bürgermeister gewählt wurde, hatte er bereits etliche wertvolle Berater verschlissen. In seiner Amtszeit als Bürgermeister verließ er sich lediglich auf seinen Instinkt und besiegelte damit seinen Untergang.
Ralph Palmieri, einer seiner ehemaligen Mitstreiter, beschreibt ihn so: »Mike Matthews war ein unheimlicher Typ. Was er als Unabhängigkeit bezeichnete, war in Wirklichkeit Paranoia. In der Politik hat er nie jemandem vertraut, und jeder, der ihm vertraute, wurde früher oder später verarscht.« 111
Mit sozialen Programmen für Senioren konnte Matthews Tausende von älteren Wählern für sich begeistern. Sie waren die Basis seiner Wahlerfolge, und nicht wenige arbeiteten an seinen Kampagnen mit. Während die Rentner Briefmarken klebten und Telefondienst verrichteten, konnte man Matthews mitunter im Hinterzimmer beim Oralsex mit einem Politgroupie, das seine Tochter hätte sein können, überraschen.
In den Kasinos führte sich der Bürgermeister wie ein Salonlöwe auf. Er sah sich auf Augenhöhe mit den Prominenten, ließ sich mit ihnen fotografieren und hängte die Fotos anschließend in seinem Büro auf. Manchmal konnte er sie sogar auf ein Abendessen oder zum Golfspielen überreden, die meisten hatten aber keine Lust dazu. Matthews wollte keine einzige Party verpassen. Vielleicht hätte er mit ein bisschen mehr Fleiß und Aufrichtigkeit einen guten Bürgermeister abgegeben, aber er wollte vor allem berühmt werden.
»Michael liebte den Glanz der Kasinos, und sobald das Glücksspiel erlaubt war, wollte er der Obermacker in den Kasinos sein. Er war die Motte, und die Kasinos waren das Licht«, beschreibt es sein Zeitgenosse Harold Finkle. 112
Das Ehrendinner für Tony Torcasio war eine der Veranstaltungen, die sich Matthews normalerweise nicht entgehen ließ. Er saß dann meistens am Ehrentisch mit Joe DiMaggio, Mickey Mantle und Joe Theisman, und tauschte spitze Bemerkungen mit Don Rickles aus – solche Abende genoss er. Doch bevor dieses Abendessen vorbei war, hatten die meisten Gäste Matthews als Bürgermeister bereits abgeschrieben. In den folgenden Wochen erlangte er dafür ein Maß an Berühmtheit, wie er es sich immer gewünscht hatte.
Ein Mitarbeiter des FBI wurde in die Stadt eingeschleust und erschlich sich in wenigen Wochen Matthews’ Vertrauen. Er sah noch nicht einmal wie ein Italiener aus, spielte aber den Mafioso und trug ein Abhörgerät, mit dem er stundenlang belastendes Material aufzeichnete. Das Transkript liest sich wie ein Groschenroman. Für den Bürgermeister
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