Boardwalk Empire
beschränkte Lizenz als Segen für das Kasino herausstellte, entwickelte sie sich zum Albtraum für die Division of Gaming Enforcement. Beim Glücksspielparagrafen gilt die in den USA übliche Unschuldsvermutung nicht. Damit Resorts International eine Genehmigung erteilt werden konnte, musste das Unternehmen beweisen, dass es sich weder strafbar gemacht noch zwielichtige Verbindungen unterhalten hatte, die das Vertrauen der Kunden in den Kasino-Betrieb beschädigen könnten. Sobald die temporäre Genehmigung in Kraft trat, lag die Beweispflicht wieder bei der Behörde, und die wollte jetzt belegen, dass Resorts International doch nicht für eine Lizenz geeignet war.
Im Dezember 1978 reichte die Division ihren Bericht bei der Kommission ein, während die Öffentlichkeit sich bereits seit sechs Monaten im Kasino vergnügte. Zum Entsetzen von Crosby und der Kasino-Lobby sprach man sich gegen eine dauerhafte Genehmigung aus. In dem Bericht waren siebzehn »Auffälligkeiten« aufgeführt, die gegen eine Lizenz sprachen. Die meisten dieser »Auffälligkeiten« befassten sich mit Crosbys Aktivitäten auf den Bahamas, seinen Geschäften mit Wallace Groves und seinen Zahlungen an den Machtpolitiker Stafford Sands. Die Division warf Crosby vor, dass er die Finanzierung von Paradise Island durch »anstößige« Personenkreise ermöglicht und die Hilfe von Börsenhändlern in Anspruch genommen hatte, denen wegen Manipulation der Mary-Carter-Aktie die Lizenz entzogen worden war. Man beschuldigte Resorts International, trotz ihres Versprechens gegenüber den Behörden weiterhin Verbindungen zur Unterwelt zu pflegen. Der Bericht behauptete, es existiere eine große Summe an Schwarzgeldern, mit denen die Regierungsbeamten der Bahamas weiterhin für ihr »Entgegenkommen« bezahlt wurden.
Zusätzlich zu diesen Vorwürfen kritisierte die Division die Buchhaltung von Paradise Island und des Kasinos in Atlantic City. Sie warf Resorts International vor, unsauber abzurechnen, und wies darauf hin, dass selbst Crosbys hauseigene Sicherheitsfirma Intertel die Buchhaltung bemängelt hatte, da sie Diebstählen »Tür und Tor öffneten«. Wer die Warnungen der eigenen Sicherheitsfirma ignoriert, eignet sich nicht zur Leitung eines Kasinos, lautete das Argument der Division. Crosby und seine Anwälte verlangten daraufhin eine sofortige Anhörung. Ihrer Meinung nach stand in dem vorliegenden Bericht nichts Neues, und man könnte alle »Auffälligkeiten« rechtfertigen. Joseph Lordi, der Vorsitzende der Casino Control Commission, legte den Beginn der Anhörungen auf den 8. Januar 1979. Resorts International wurde dabei von dem Anwalt Raymond Brown aus Newark vertreten.
Ray Brown war New Jerseys herausragendster Strafverteidiger. Er war ein großer und schlanker Afroamerikaner Mitte sechzig mit einem grauen Schnurrbart und wirkte mit seinen ausgebeulten Anzügen und abgewetzten Schuhen zunächst recht unscheinbar. Doch der Eindruck täuschte. Brown war ein »Raubtier«, das jeden Gerichtssaal dominierte. Als meisterlicher Stratege bereitete er sich gründlich auf die Anhörung seines Mandanten vor. Statt alle 17 »Auffälligkeiten« einzeln zu widerlegen, rief Brown Zeugen auf, die gar nichts mit den Vorwürfen zu tun hatten. Diese befragte er über das Catering, Sitzungsräume, Parkplätze, über Details zu Stromanschlüssen, Belüftung, sanitäre Anlagen und über die Renovierungsarbeiten im Einzelnen. Brown wollte damit die Commission einlullen und die Medien so sehr langweilen, dass sie dem Prozess fernblieben. Das funktionierte. Es kam sogar so weit, dass der stellvertretende Staatsanwalt G. Michael Brown auf einen Zeugen verzichten wollte und offiziell einräumte, dass das Hotel den Anforderungen der Kommission entsprach. Ray Brown lehnte ab und setzte seine Befragungen fort. Brown ließ auch Crosby und seine leitenden Angestellten zu Wort kommen, die dem Gericht versicherten, dass sie ihre Geschäfte mit unlauteren Partnern sofort eingestellt hatten, sobald sie von deren kriminellem Hintergrund erfahren hatten. Die Zahlung von 25 0 000 Dollar an Stafford Sands und die Geschäfte mit der Regierung der Bahamas beschrieben sie als dort übliche Geschäftspraktiken.
Ray Browns Auftritt vor Gericht dauerte fast sechs Wochen. Die Argumente der Division waren in drei Tagen abgehandelt und genügten dem Gericht nicht. Der Staatsanwalt rief etliche Mitarbeiter der Division in den Zeugenstand, die über ihre Gespräche mit Zeugen und deren
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