Boardwalk Empire
war Understatement ein Fremdwort, und so redete er sich beim Abendessen in einem China-Restaurant nicht nur um Kopf und Kragen, sondern besiegelte sein eigenes Schicksal, indem er ein Bestechungsgeld in Höhe von 1 0 000 Dollar in registrierten Scheinen von dem verdeckten Ermittler annahm. Mehr brauchte das FBI nicht. Kurz nach seiner Verhaftung konnte man in den meisten Zeitungen des Landes ein ganzseitiges Foto von ihm in Hand- und Fußschellen sehen. Spätestens jetzt war Mike Matthews wirklich berühmt.
Der Bericht des FBI-Agenten beschreibt einen skrupellosen Politiker, an dessen Bürotür nur noch ein großes »Kauf mich«-Schild gefehlt hatte. Richter Harold Ackerman formulierte es in seinem Urteil gegenüber Matthews im Dezember 1984 folgendermaßen: »Sie hielten einfach die Hand auf. Selbst ein Achtklässler hätte das herausfinden können.« Michael Matthews wurde abgewählt und landete nur zwei Jahre nach seiner Inthronisierung im Gefängnis. Nach Atlantic-City-Maßstäben war sein Fehler nicht gewesen, dass er korrupt war, sondern dass er sich so dämlich dabei angestellt hatte.
Andere waren da geschickter. Mit der Legalisierung des Glücksspiels kamen auch echte Mafiosi in die Stadt, nicht nur Polizisten, die sich als solche ausgaben. Wenn man die Geschichte der Stadt und ihre Vergangenheit in Sachen Glücksspiel betrachtet, ist das nicht verwunderlich. Doch dieses Mal wurde die organisierte Kriminalität nicht so freundlich empfangen wie zu Nuckys Zeiten. Gouverneur Brendan Byrne hatte im Wahlkampf von 1976 keine leeren Versprechen gegeben. Die Unterwelt war alles andere als willkommen, und mit Ausnahme von Resorts International wurde jetzt jeder Kasino-Betreiber gnadenlos unter die Lupe genommen. So zum Beispiel auch die Perlmans.
Clifford und Stuart Perlman kannten Atlantic City gut. Sie kamen aus Philadelphia und wussten, dass Atlantic City längst nicht mehr der »Spielplatz der Welt« war, sondern nur noch ein Ort, an dem die Leute aus Philadelphia die Sau rauslassen konnten. Die Perlmans hatten früher auf dem Boardwalk Ramsch an Touristen verkauft, und einige Jahrzehnte später kehrten sie, angelockt von den Kasinos, zurück in die Stadt. In den Jahren dazwischen hatten sie in Las Vegas ein Vermögen gemacht und wurden deshalb bei ihrer Rückkehr als Marketing-Genies empfangen. In Vegas setzten sie mit dem Caesar’s Palace Maßstäbe in Sachen Kasino-Hotels. Sie waren Branchenführer, und es schien nur logisch, dass sie sich jetzt auch in Atlantic City etablierten.
Gleich nach dem Bürgerentscheid von 1976 sahen sich die Perlmans in Atlantic City um. Noch bevor Resorts International das erste Kasino eröffnete, unterschrieben sie einen Mietvertrag mit dem Howard Johnson’s Regency . Dass ein aufgebrezeltes Landhaus die beste Adresse in der Stadt war, machte deutlich, wie dringend die Stadt die neuen Kasinos brauchte. Die Perlmans stellten klar, dass das Boardwalk Regency nur der Anfang war, ein erstes kleines Projekt, um schnellstmöglich ins Geschäft zu kommen. Sobald das Boardwalk Regency Geld abwarf, wollten die Perlmans ihre Vegas-Magie aufführen und einen Caesar’s Palace für Atlantic City bauen. Das war die Sorte Unternehmer, wie man sie in Atlantic City wollte. Allerdings hatten die Perlmans auch ihre Schattenseiten. Sie waren seit Jahren mit der Mafia verbandelt. Begonnen hatte alles mit Hotdogs.
1966 überredete Clifford Perlman seinen Bruder Stuart, nahezu ihr gesamtes Vermögen in ein Restaurant in Las Vegas namens Lum’s zu stecken. Stuart erwartete ein Luxusrestaurant stand aber erst mal vor einer recht mickrigen Bude. Im Gegensatz zu dem benachbarten Forge , einem Stammrestaurant, von Meyer Lansky, war Lum’s nur ein besserer Hotdog-Stand. Dabei handelte es sich aber nicht um herkömmliche Wiener Würstchen. Diese Würste wurden in Bier gekocht und mit Sherry-Sauerkraut serviert. Stuart konnte sich im Gegensatz zu seinem Bruder nicht für das Restaurant begeistern: »Man ging rein, kaufte ein paar Hotdogs und aß sie draußen. Ich wollte da drinnen einfach nichts essen.«
Später behaupteten die Perlmans, dass sie nichts vom zweifelhaften Ruf des Forge und seines berüchtigten Stammgasts gewusst hatten, aber die folgenden Ereignisse sprechen eine andere Sprache.
1969 schlug Clifford seinem Bruder ein neues Geschäft vor, das weit über den Verkauf von Hotdogs hinausging. Die Perlmans gaben ein Angebot für Caesar’s Palace ab, eins der protzigsten Kasinos der Stadt,
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