Bob, der Streuner
Blicken noch mehr zu schüren. Irgendwann gab er auf und war wirklich verschwunden.
Als ich nach etwa sechs Stunden wiederkam, wartete er schon vor dem Hauseingang auf mich. Mein Verstand verbot mir, ihn mitzunehmen, aber mein Herz setzte sich durch. Mein Wunsch, ihn bei mir zu haben, war zu stark. Es tat einfach gut, ihn nachts als friedliches Pelzknäuel am Fußende meines Bettes zu spüren.
In den darauffolgenden Tagen wurde dieses Spiel zur neuen Gewohnheit. Jeden Morgen setzte ich ihn vor die Tür, und jeden Abend, wenn ich vom Musikmachen zurückkam, wartete er bereits auf mich. Entweder hielt er sich in einer Seitengasse kurz vor dem Haus auf oder – wenn er tagsüber Einlass gefunden hatte – er saß auf der Fußmatte vor meiner Wohnungstür. Offensichtlich wollte Bob nicht zurück in sein altes Leben.
Ich musste härtere Geschütze auffahren und ihn nachts draußen lassen. Am ersten Abend trieb er sich gerade bei den Mülleimern herum. Es war ziemlich albern von mir, zu glauben, ich könnte ins Haus gelangen, ohne von ihm entdeckt zu werden. Er war eine Katze! Er hatte mehr Sensoren in einem seiner Schnurrbarthaare als ich im ganzen Körper. Kaum hatte ich ultra-leise die Haustür geöffnet, da hatte er sich auch schon an mir vorbei ins Haus gequetscht. Ich blieb hart und ließ ihn auf dem Flur zurück. Aber als ich am nächsten Morgen meine Wohnungstür öffnete, war er immer noch da. Er hatte auf der Fußmatte geschlafen.
Schon bald hatte er auch dieses Spiel voll im Griff. Wann immer ich ausging, war Bob da, entweder im Hausflur oder draußen vor dem Haus. Irgendwie schaffte er es jeden Abend, ins Haus zu gelangen.
Es dauerte nicht lange, bis er der Meinung war, diese Schlacht gewonnen zu haben. Und ich hatte das nächste Problem am Hals: Bob fing an, mir bis zur Hauptstraße nachzulaufen.
Beim ersten Mal kam er nur bis zur Kreuzung mit und kehrte um, als ich ihn verscheuchte. Am nächsten Tag verfolgte er mich bis zu der stark befahrenen Straße, die zur Tottenham High Road führte. Dort hielt der Bus nach Covent Garden.
Wieder einmal hatte er es geschafft, mich in eine Zwickmühle zu bringen. Einerseits bewunderte ich seine Hartnäckigkeit und unerschütterliche Ausdauer. Aber ich war auch stinksauer, weil er sich einfach nicht abschütteln ließ.
Jeden Tag verfolgte er mich ein Stück weiter. Er wurde immer dreister. Ich hoffte, dass er eines Tages, wenn ich ihn abgehängt hätte, einfach weiterlaufen würde, um ein neues und besseres Zuhause zu finden. Aber jeden Abend, wenn ich heimkam, wartete er schon auf mich.
So konnte es nicht weitergehen. Aber was sollte ich tun? Während ich noch darüber nachdachte, setzte Bob sich durch.
Wie jeden Tag machte ich mich morgens fertig für die Arbeit. Ich packte meine schwarze Akustik-Gitarre mit den roten Ornamenten am Rand in ihre Tasche, schulterte sie zusammen mit meinem Rucksack und nahm den Lift nach unten. Bob saß in einer Seitenstraße und begrüßte mich sofort. Mit viel Aufwand verbot ich ihm die Verfolgung. »Bleib hier, du kannst nicht mitkommen!«, schärfte ich ihm ein.
Wie ein geprügelter Hund schlich er davon. Auf dem Weg zum Bus sah ich mich immer wieder um, konnte aber weit und breit keine Spur eines roten Schwanzspitzchens entdecken. Ich hoffte, es hätte endlich klick gemacht in seinem kleinen Katzenhirn.
Um zur Busstation zu gelangen, musste ich die Tottenham High Road überqueren, eine der befahrensten Hauptverkehrsstraßen im Norden von London. Wie immer wälzten sich Schlangen von ungeduldigen Autos, Lkws und Motorrädern durch den morgendlichen Berufsverkehr. Ich stand am Straßenrand und hielt angestrengt Ausschau nach einer Lücke, die ich nutzen konnte, um auf die andere Seite zu gelangen. Der Bus war schon zu sehen. Er quälte sich mühsam zwischen den schnittigen, flinken Autos vorwärts. Plötzlich fühlte ich eine nur zu vertraute Reibung an meinen Beinen. Mein Blick wanderte ungläubig nach unten. Es war Bob! Erschrocken erkannte ich, dass er genauso konzentriert wie ich nach einer Verkehrslücke suchte, um diese Todeszone für Katzen zu durchqueren. »Verdammt, was machst du denn hier?«, brüllte ich gegen den Verkehr an. Sein verächtlicher Blick sprach Bände. Wie konnte ich nur so dumm fragen.
Er ignorierte mich, fest entschlossen, es mir gleich zu tun und diese Straße zu überqueren. Dazu trippelte er vorsichtig noch weiter an den Rand des sicheren Bürgersteiges und spähte mit Argusaugen ins
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