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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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Tierarztbesuch, wieder in die ungeliebte grüne Recyclingbox aus Plastik. Das Wetter war scheußlich an diesem Tag, also legte ich den Deckel der Box lose oben drauf, sodass er noch Luft bekam. Natürlich fühlte er sich in diesem provisorischen Tragekorb genauso wenig wohl wie beim letzten Mal. Andauernd verschob er den Deckel und streckte neugierig den Kopf heraus, als hätte er Angst, irgendetwas zu verpassen.
    Die Abbey-Tierklinik liegt mitten auf der Dalston Lane, einer Einkaufsmeile, eingezwängt zwischen einem Zeitungskiosk und einer Arztpraxis. Wir waren früh dran für Bobs Termin, aber auch hier war der Warteraum bereits voll: das übliche Chaos von Tieren und Haltern. Hunde, die ungeduldig an ihren Leinen zogen und die Katzen in ihren schicken Tragekörben anknurrten. Unter all den Salonlöwen und Samtpfötchen fiel Bob in seiner ärmlichen Plastikbox ganz schön aus dem Rahmen. Die Hunde hatten ihn sofort zum kollektiven Feind auserkoren. Auch hier war wieder eine stattliche Anzahl von Bullterriern vertreten, deren Besitzer mich stark an Neandertaler erinnerten. Die meisten Katzen wären in dieser Situation ausgerissen, aber nicht Bob. Auf meiner Schulter fühlte er sich sicher, da war er der König.
    Eine junge Operationsschwester rief meinen Namen auf. Sie hatte einen Fragebogen dabei und führte uns in einen Nebenraum. Dort wurden wir routiniert befragt und informiert.
    »Diese Operation kann nicht rückgängig gemacht werden. Sind Sie sicher, dass Sie mit Bob auch in Zukunft nicht züchten wollen?«
    »Ganz sicher«, bestätigte ich lächelnd und kraulte Bob zwischen den Ohren.
    Die nächste Frage konnte ich leider nicht beantworten.
    »Wie alt ist er?«
    »Oh, das weiß ich nicht«, antwortete ich und schob eine Kurzfassung seiner Geschichte hinterher.
    »Hm, lassen Sie mich mal sehen.« Sie erklärte mir, dass man bei unkastrierten Katzen das Alter noch ganz gut feststellen kann. »Katzen und Kater werden mit etwa sechs Monaten geschlechtsreif. Wenn sie in diesem Alter noch nicht kastriert sind, können sich die typischen körperlichen Merkmale ihrer Rasse noch ausprägen. Die männlichen Tiere bekommen den imposanten, runden Kater-Kopf. Sie werden vor allem an den Backen voller. Ihre Haut wird dicker, und sie werden viel größer als Kater, die schon früh unters Messer kommen. Er hier ist noch nicht ganz ausgewachsen, ich schätze, er ist etwa neun oder zehn Monate alt«, informierte sie mich.
    Als sie mir die OP -Formulare aushändigte, machte sie mich darauf aufmerksam, dass es ein minimales Risiko für Komplikationen gäbe, auf das sie mich hinweisen müsse. »Wir werden ihn vorher auf jeden Fall gründlich untersuchen, gegebenenfalls machen wir auch einen Bluttest, bevor wir mit der Operation beginnen«, erklärte sie mir. »Falls es ein Problem geben sollte, werden wir sie anrufen.« Mein verschämtes »Okay« schnürte mir fast die Kehle zu. Ich hatte kein Guthaben auf meinem Handy; sie würden mich im Ernstfall nicht erreichen können.
    Aber sie redete bereits weiter und erklärte mir die Operation: »Es ist ein Routineeingriff unter Vollnarkose. Durch zwei kleine Schnitte in den Hodensack werden die Hoden entfernt.«
    »Autsch, Bob!«, entfuhr es mir. Unwillkürlich drückte ich ihn etwas näher an mich und kraulte ihn aufmunternd unter dem Kinn.
    »Wenn alles gut geht, können Sie Bob in sechs Stunden wieder abholen«, informierte sie mich und sah auf ihre Uhr. »So um halb fünf, geht das?«
    »Ja, klar!«, nickte ich zustimmend. »Vielen Dank und bis dann!«, verabschiedete ich mich von ihr. Bob bekam noch eine letzte beruhigende Umarmung. »Bis bald, mein Großer!«
    Dann stand ich draußen. Der Himmel war bewölkt und grau. Es sah nach Regen aus.
    Um in die Innenstadt zu fahren, reichte die Zeit nicht aus. Bis ich alles ausgepackt und ein paar Songs gesungen hätte, wäre es Zeit, wieder umzukehren. Also entschied ich mich, mein Glück an der nächsten U-Bahn-Station zu versuchen. Dalston Kingsland war nicht gerade der beste Standort, aber ein paar Pfund würde ich schon verdienen. Außerdem konnte ich mir damit die lange Wartezeit verkürzen. Gleich neben der Haltestelle war ein netter Schuster. Bei ihm würde ich Unterschlupf finden, falls es regnen sollte.
    Ich versuchte, mich auf meine Musik zu konzentrieren und die Gedanken an Bob auszublenden. Ich wollte nicht daran denken, wie er auf dem Operationstisch lag. Da er zumindest vorübergehend auf der Straße gelebt hatte, könnte

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