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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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Zeichen. Es war Freitag, und eigentlich brauchten wir noch ein bisschen Geld für den Wochenend-Einkauf. Aber ich hätte es mir nie verziehen, wenn in meiner Abwesenheit etwas passiert wäre. Also blieb ich zu Hause und spielte Bob-Sitter rund um die Uhr.
    Zum Glück gab es keine Komplikationen. Schon am nächsten Morgen wirkte er etwas munterer als am Vortag, er fraß sogar ein paar Happen, wenn auch ganz langsam und ohne rechten Appetit. Wie es die Tierarzthelferin vorhergesagt hatte, fiel er nicht über sein Futter her wie sonst. Langsam, fast bedächtig kaute er an seinem Lieblingsfutter herum und schaffte immerhin die Hälfte seiner normalen Portion. Das war doch ein gutes Zeichen. Danach machte er einen vorsichtigen, etwas steif wirkenden Spaziergang durch die Wohnung. Von Spaß und Übermut war er noch meilenweit entfernt.
    Nach dem Wochenende ging es ihm aber schon wieder prächtig. Nur drei Tage nach der OP war er wieder genauso verfressen wie zuvor. Nur noch gelegentlich spürte er einen kurzen Schmerz. Dann blinzelte er überrascht oder hielt kurz in einer Bewegung inne, aber das war kein Grund zur Besorgnis.
    Er würde weiterhin seine verrückten fünf Minuten und die wilden Spielattacken ausleben. Aber ich war sicher, ich hatte das Richtige getan.

4
    Freifahrschein
    D ie zwei Wochen waren um, und ich musste mich mit dem Gedanken anfreunden, Bob freizulassen. Schwach und verletzt war er von der Straße in unser Mietshaus geflüchtet, aber jetzt war er wieder stark und gesund. Er hatte auch ganz schön zugenommen. Bestimmt hatte er schon Sehnsucht nach seinem alten Leben. Und nach seiner Freiheit.
    Als er keine Tabletten mehr brauchte und auch die Kastration gut überstanden war, wartete ich noch zwei Tage. Am dritten Morgen nahm ich Bob mit nach draußen. Ich führte ihn vorbei an seinem Freiluft-Kistchen bis zur Umzäunung unseres Innenhofes. Vor dem Tor drehte ich ihn mit dem Gesicht zur Straße.
    Aber anstatt freudig loszulaufen, blieb er wie angewurzelt stehen und bewegte sich nicht vom Fleck. Seine Körperhaltung drückte pures Unbehagen aus. Der verdatterte Blick, den er mir zuwarf, war fast anklagend: »Was willst du von mir?«
    »Du kannst gehen! Geh nur! Geh!«, ermunterte ich ihn und wedelte aufmunternd mit erhobenen Armen Richtung »Freiheit«.
    Aber Bob reagierte nicht.
    Einen Moment lang starrten wir uns ratlos an. Dann drehte sich Bob um und zockelte gemächlich zurück auf die Wiese vor unserem Haus. Ich beobachtete ihn, wie er sich über die Grünfläche zu seinen Büschen trollte. Dort grub er ganz entspannt ein Loch, verrichtete sein Geschäftchen und deckte dann alles, penibel wie immer, mit Erde zu. Dann tänzelte er geschmeidigen Schrittes zu mir zurück.
    Zufrieden und erwartungsvoll studierte er meine Reaktion, als wollte er sagen: »Okay, ich habe getan, was du wolltest. Und jetzt?«
    In dem Moment dämmerte es mir. »Du willst also noch bleiben«, übersetzte ich sein Benehmen. Ein warmes Gefühl von Freude durchflutete mich. Ich war erleichtert, denn ich hatte ihn wirklich gern um mich. Bob hatte so viel Charme und Ausstrahlung! Dabei war mir klar, dass ich es eigentlich nicht zulassen durfte. Es war schwierig genug, für mich selbst zu sorgen. Ich war immer noch mitten im Drogenentzug, und das würde sich in nächster Zeit auch nicht ändern. Wie sollte ich mich dauerhaft um eine Katze kümmern? Auch wenn sie noch so intelligent und selbstbestimmt war wie Bob – es war für uns beide keine faire Lösung.
    Schweren Herzens nahm ich mir vor, ihn langsam zu vertreiben. Ab sofort durfte er nicht mehr zu Hause bleiben, wenn ich morgens zur Arbeit fuhr. Ich nahm ihn mit auf die Grünfläche vor unserem Haus und überließ ihn dort sich selbst. Ich musste hart bleiben – aus Liebe zu ihm.
    Aber das neue Spiel passte ihm gar nicht. Beim ersten Mal warf er mir einen vernichtenden Blick zu: »Verräter!«, sollte das wohl heißen. Als ich mit meiner Gitarre über der Schulter loszog, verfolgte er mich. Wie ein Geheimagent huschte er auf dem Bürgersteig hinter mir von einem Versteck zum nächsten. Er wollte nicht gesehen werden, tauchte auf und ab, pendelte in Zickzacklinien hin und her, aber sein leuchtend rotes Fell machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
    Jedes Mal, wenn ich ihn entdeckte, blieb ich stehen und ruderte abweisend mit den Armen, um ihn zur Umkehr zu bewegen. Er gehorchte kurzzeitig, aber nicht, ohne mein ohnehin schon schlechtes Gewissen mit seinen vorwurfsvollen

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