Bob, der Streuner
in London haben immer Bullterrier, und dieser Hundebesitzer sah aus wie ein echtes Arschloch: Kahl geschorener Schädel, Jogginganzug und Bierdose mit extrastarkem Lager in der Hand. Er torkelte sichtlich betrunken die Straße entlang, obwohl es gerade erst vier Uhr am Nachmittag war.
Als er auf unserer Höhe war, wurde er langsamer, weil sein Hund an der Leine zerrte. Er hatte Bob erspäht und wollte ihn nur friedlich beschnuppern. Genauer gesagt, ging es dem Bullterrier mehr um das Trockenfutter neben Bob. Voller Vorfreude auf einen unerwarteten Leckerbissen schnüffelte er sich näher.
Doch er hatte nicht mit Kampfkater Bob gerechnet. Der bot uns jetzt ein unglaubliches Schauspiel.
Ich habe Bob schon oft im Umgang mit Hunden beobachtet; normalerweise sieht er hoch erhobenen Hauptes an ihnen vorbei. Aber einen Angriff auf seine Brekkies wollte er nicht durchgehen lassen. Mein friedlich schlummerndes Fellbündel sah erst hoch, als sich der Bullterrier gierig schnüffelnd seinem Futter näherte. Er erhob sich im Zeitlupentempo und zog dem Hund dann blitzschnell mit der Pfote eins über die Nase. Muhammad Ali wäre stolz auf ihn gewesen. Der Hund machte einen entsetzten Satz nach hinten und robbte in Bauchlage rückwärts weg von Bob. Dabei sah er aus wie ein Lakai, der seinem König huldigt.
Zuerst war ich genauso überrumpelt wie der Kampfhund. Dann brach ich in Gelächter aus. Der Anblick war zu komisch. Der Hundebesitzer sah erst mich an und dann seinen Hund. Er war so betrunken, dass er gar nicht kapierte, was gerade geschehen war. Alles war so schnell gegangen. Trotzdem verpasste er seinem Hund einen harten Schlag auf den Kopf und zog ihn dann unsanft an der Leine mit sich fort. Es war ihm bestimmt peinlich, wie sein angsteinflößender Kampfhund von einer Katze zur Schnecke gemacht worden war.
Bob sah seinem Gegner, der als geprügelter Hund davonschlich, emotionslos hinterher. Ein paar Sekunden später schlief er schon wieder, als wäre nichts geschehen. Für ihn war es nur eine unbedeutende Pfotenbewegung gewesen, nicht spannender als das Verscheuchen einer Fliege. Für mich war es ein Moment der Offenbarung. Ich hatte wieder etwas Neues über meinen Freund und seine Vergangenheit gelernt. Er konnte sich verteidigen und sehr gut auf sich selbst aufpassen. Wahrscheinlich hatte er schon früh Umgang mit Hunden gehabt, die keine Schoßhündchen waren!
Und wieder beschäftigten mich die alten Fragen: Wo ist er aufgewachsen? Welche Abenteuer musste er bestehen, bevor er sich mir angeschlossen hat und einer der zwei Musketiere wurde?
Mein neues Leben mit Bob war voller Abwechslung und Spaß. Mit ihm wurde es nie langweilig, wie der kleine Zwischenfall mit dem Bullterrier bewiesen hatte. Er war so eine starke Persönlichkeit! Er hatte die seltsamsten Eigenarten, und ich entdeckte jeden Tag neue.
Inzwischen war ich überzeugt, dass er auf der Straße groß geworden war. Nicht nur wegen seiner ausgeklügelten Kampftechnik, sondern auch wegen seiner rauen Manieren, die so gar nicht zu einem gezähmten Stubentiger passten.
Obwohl er nun schon über einen Monat bei mir lebte, verweigerte er immer noch das Katzenklo. Er hasste es abgrundtief. Sobald ich es demonstrativ in seiner Nähe aufstellte, nahm er Reißaus. Lieber hielt er alles ein, bis ich die Wohnung verließ und er zu seinen Büschen flitzen konnte. Das ging mir mit der Zeit ziemlich auf die Nerven. Es war wirklich lästig, mehrmals täglich fünf Stockwerke rauf und runter zu rennen, nur weil Mr. Sturkopf auf sein Freiluftklo bestand. Ich sah nur noch einen Ausweg, Bob dazu zu bringen, das Kistchen in der Wohnung endlich anzunehmen. Ich musste ihn zwingen. Aber wie macht man das bei so einer eigenwilligen Katze? Mein Plan war, so hart das klingen mag, vierundzwanzig Stunden Stubenarrest. So lange hielt es auch der störrischste Kater nicht aus. Dachte ich. Aber ich hatte die Rechnung mal wieder ohne Bob gemacht. Er hat durchgehalten, ohne Mauzen, ohne an der Tür zu kratzen. Mit stoischer Ruhe wartete er, bis ich aufgeben musste, weil ich einen Termin hatte. Sobald die Tür aufging, flutschte er aus dem Türspalt und stürzte sich geradezu die Treppen hinunter, um nach draußen zu gelangen. Spiel, Satz und Sieg für Bob! Diesen Kampf würde ich wohl nie gewinnen.
Bob hatte auch eine wilde Seite. Natürlich war er ruhiger als vor der Kastration, aber zeitweise tobte er immer noch wie eine übermütige Wildkatze durch die Wohnung und spielte mit allem,
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