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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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verschwand er unter dem Sofa und schlich später ziemlich antriebslos zu seinem Platz unter dem Heizkörper. Ich hatte verstanden. Das hieß wohl: »Ich mach heute blau!«
    Er sah tatsächlich müde aus.
    Ich kniete mich vor ihn hin und kraulte sein Fell.
    »Na, Bob, keine Lust heute?«, fragte ich leise. Sein Blick war Antwort genug.
    »Kein Problem, bleib ruhig hier!«, bestärkte ich seine weise Entscheidung. Dann ging ich in die Küche und füllte seine Schüssel mit Trockenfutter auf, damit er sich bis zu meiner Rückkehr am Abend stärken konnte.
    Ich habe mal gelesen, dass man den Fernseher laufen lassen soll, wenn man sein Haustier allein lässt. Sie fühlen sich dann während der Abwesenheit ihrer Menschen nicht so einsam. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber ich schaltete die Kiste ein und Bob robbte sofort auf seinen Fernsehplatz und starrte interessiert auf den Bildschirm.
    Schon auf dem Weg in die Stadt wurde mir klar, wie sehr Bob mein Leben verändert hatte. Wenn er auf meiner Schulter saß oder an der Leine vor mir her lief, drehten sich dauernd Leute nach uns um. Ohne Bob war ich wieder unsichtbar.
    Bei den Anwohnern rund um unseren Stammplatz waren wir freilich schon so bekannt, dass sie mich auch ohne Bob erkannten.
    »Wo ist die Katze?«, fragte mich ein Budenbesitzer, als er an mir vorbeikam.
    »Hat heute frei«, antwortete ich.
    »Ah, gut, ich hatte schon Angst, dem kleinen Kerl wäre etwas zugestoßen«, erwiderte er und hob lächelnd den Daumen.
    »Wo ist Bob?« So ging es den ganzen Tag. Sie waren froh, dass er nicht krank war, und gingen weiter. Wenn Bob dabei war, wollten viele Leute mit mir plaudern. Heute war das nicht der Fall. Das war etwas ernüchternd, aber ich musste mich damit abfinden: Der Star in unserem Duo war nun mal Bob.
    Der Klang der Münzen, die eifrig in meinen Gitarrenkasten prasselten, war schnell zur Gewohnheit und zur Musik in meinen Ohren geworden, das kann ich nicht leugnen. Leider musste ich feststellen, dass diese Musik ohne Bob quälend langsam wurde. Meine Gitarre und ich gaben alles an diesem Tag, aber der Erfolg war eher mäßig. Obwohl ich einige Stunden länger spielte als sonst, hatte ich am Ende gerade mal halb so viel Bares wie an einem guten Tag mit Bob in der halben Zeit. Da waren sie wieder, die harten, alten Zeiten vor Bob. Aber ich war ja früher auch über die Runden gekommen.
    Als ich an diesem Abend zu Fuß nach Hause marschierte, gelangte ich zu einer wichtigen Erkenntnis. In meiner Beziehung zu Bob ging es nicht ums Geldverdienen. Ich würde nicht verhungern, wenn er keine Lust mehr hatte mitzukommen. Bob hat mein Leben in viel wichtigeren Dingen bereichert, und nur das allein zählte.
    Er war mein Freund und Partner. Alles mit ihm zu teilen und gemeinsam zu erleben, machte einfach viel mehr Spaß. Außerdem gab er mir den nötigen Antrieb, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.
    Es ist nicht leicht, sein Geld als Straßenmusiker zu verdienen. Täglich der Verachtung seiner Mitmenschen ausgeliefert zu sein, macht auf die Dauer die Seele kaputt. Bevor Bob in mein Leben trat, habe ich oft versucht, mit meiner Gitarre auf Pub-Besucher zuzugehen. Aber noch bevor ich »Hallo« sagen konnte, wimmelten sie mich mit finsterem Blick und einem unfreundlichen »Nein, bitte nicht!« ab. Wenn ich jemanden nur nach der Uhrzeit fragen wollte, bekam ich zu hören: »Tut mir leid, kein Kleingeld!«, noch bevor ich den Mund aufmachen konnte. Das passierte dauernd. Sie wollten nichts mit mir zu tun haben.
    Niemand will einem Typen wie mir zuhören. Sie sehen mich an und verurteilen mich sofort als Schmarotzer. Sie wollen nicht verstehen, dass ich für mein Geld arbeiten will und nicht betteln. Nur weil ich nicht in Anzug und Krawatte auftrete, weder Aktentasche noch Computer bei mir habe, nur weil ich weder Gehaltsabrechnung noch Steuernachweis vorlegen kann, bin ich doch noch lange kein Trittbrettfahrer!
    Dank Bob hatte ich endlich die Chance, mit Leuten zu reden.
    Sie wollten alles über Bob wissen, und das gab mir die Möglichkeit, ihnen meine Lage zu schildern. Ich konnte einfließen lassen, dass wir von der Straßenmusik unseren Lebensunterhalt bestritten. Dank Bob hörten sie mir gerne zu. Als Katzenbesitzer war mein Ansehen bei meinen Mitmenschen gestiegen. Das ist sogar wissenschaftlich erwiesen.
    Katzen sind bekannt dafür, dass sie in ihrem Umgang mit Menschen sehr wählerisch sind. Wenn eine Katze mit ihrem Besitzer nicht zufrieden ist, zieht sie los

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