Bob, der Streuner
verdammt noch mal!«, brüllte ich und baute mich so nah vor dem Übeltäter auf, dass kaum noch eine Handfläche zwischen uns gepasst hätte. Ich bin sehr groß, überragte ihn um einiges, aber er blieb unbeeindruckt.
»Ich wollte nur sehen, ob die Katze echt ist.« Er fand seine Antwort auch noch witzig und lachte sich schief. Ich dagegen kochte vor Wut.
»Du hältst dich wohl für sehr schlau, du verdammter Idiot«, presste ich zwischen den Zähnen hervor. Seine Kumpel begannen, uns einzukreisen. Einer rammte mir seine Schulter in die Rippen, ein anderer versuchte, mich mit einem Brustrempler zu beeindrucken. Aber ich blieb felsenfest stehen und knuffte zurück. Ein paar Sekunden lang standen wir da wie Kampfhähne vor dem Angriff. Dann deutete ich auf eine Überwachungskamera, die an der Ecke installiert und genau auf uns gerichtet war.
»Los, traut euch! Aber ihr werdet gefilmt. Mal sehen, wie schnell sie euch kriegen!«
Das wechselnde Mienenspiel auf ihren Gesichtern war ein Bild für Götter, das ich gern festgehalten hätte. Auf der Überwachungskamera oder sonst wie. Die Jungs waren echte Rowdies, denn sie hatten ganz offensichtlich schon schlechte Erfahrungen mit Überwachungskameras gemacht. Denen musste keiner mehr sagen, dass Gewaltanwendungen von unseren Gesetzeshütern scharf geahndet wurden, vor allem wenn man Beweise auf Video hatte. Mit einer Kopfbewegung pfiff der Witzbold seine Kumpanen zurück. Mir knurrte er mit hasserfülltem Blick zu: »Wir kriegen dich noch!«
Mit wüsten Beschimpfungen und beleidigenden Gesten zogen sie endlich ab. Aber das kümmerte mich wenig. Hauptsache, ich war sie los.
Trotzdem wollte ich nicht länger bleiben. Ich packte alles zusammen, nahm Bob auf den Arm, und wir machten uns auf den Heimweg. Ich kannte solche Typen. Die konnten mit Niederlagen nur schwer umgehen. Ich wollte nicht riskieren, ihnen an diesem Tag noch mal zu begegnen.
Aus diesem Zwischenfall habe ich zwei Dinge gelernt: Seitdem mache ich nur noch in der Nähe einer Überwachungskamera Musik. Als ich neu war, hat mir ein Kollege schon mal diesen Rat gegeben. »Da bist du sicherer«, meinte er. Aber damals wusste ich ja alles besser und habe diesen Tipp gleich wieder verworfen. Eine solche Überwachungskamera könnte ja auch beweisen, dass ich an verbotener Stelle Gitarre spielte. Erst mit der Zeit habe ich den Sicherheitsaspekt der Kameras schätzen gelernt, und der Vorfall mit den Hooligans hat mich endgültig überzeugt.
Und die zweite Erkenntnis aus diesem unangenehmen Erlebnis: Die Geschichte hat mir leider auch gezeigt, wie allein ich in solchen Fällen dastehe. In diesem Moment war kein Polizist, kein Covent Guardian und auch kein Mitarbeiter der U-Bahn in Reichweite. Und von den vielen Passanten hat sich auch keiner eingemischt, als mich die Jugendbande bedrängte. Ganz im Gegenteil, die Leute haben einen großen Bogen um uns gemacht und sich redlich bemüht, in eine andere Richtung zu sehen. Niemand wollte uns helfen. Daran hat sich leider nichts geändert. Nur, dass ich jetzt auch für Bob verantwortlich war.
Als wir an diesem Abend im Bus nach Tottenham saßen, rollte sich Bob auf meinem Schoß zusammen. »Du und ich gegen den Rest der Welt«, flüsterte ich ihm zu. »Wir sind die zwei Musketiere.« Er schmiegte sich noch enger an mich und schnurrte zustimmend.
London war nun mal voll von Spinnern, vor denen wir uns in Acht nehmen mussten. Dazu kam noch das Hundeproblem, seit ich mit Bob unterwegs war. Wir begegneten täglich vielen Hunden, und zu unserem Leidwesen zeigten fast alle großes Interesse an Bob. Die meisten Hundebesitzer merkten selbst, wenn ihr Liebling Bob zu nahe kam, und zogen ihr Tier weg, aber es gab auch die gedankenlosen und gehässigen Halter.
Generell störte sich Bob überhaupt nicht an vorbeilaufenden Hunden. Er ignorierte sie einfach. Wenn sie sich an ihn heranschnüffeln wollten, schenkte er ihnen seinen Sphinxblick und plusterte seine Nackenhaare auf. Für die meisten Hunde war das eine klare Ansage und reichte aus, um sie das Weite suchen zu lassen. Diese Coolness im Umgang mit dem sprichwörtlichen »Feind« war für mich ein weiteres Indiz für Bobs Vorleben als Straßenkatze. Nur dort kann er gelernt haben, mit Hunden umzugehen. Wie gut er das konnte, zeigte er mir eine Woche nach dem Zwischenfall mit den Halbstarken.
Es war an einem späten Nachmittag auf der Neal Street, als ein Mann mit einem Staffordshire Bullterrier auf uns zukam. Arschlöcher
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