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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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und sucht sich einen neuen. Darüber gibt es viele Geschichten. Sie suchen sich knallhart ein neues Zuhause. Sobald die Leute die enge Bindung zwischen Bob und mir erkannten, stieg mein Sympathie-Barometer. Er machte mich »menschlicher« nach all der Zeit der Entmenschlichung. Bob hatte mir wieder ein Gesicht gegeben. Bevor er zu mir kam, war ich Abschaum gewesen. Dank ihm war ich plötzlich wieder ein Teil der Gesellschaft. Ein Mensch wie jeder andere.

7
    Zwei Musketiere
    D ank Bob haben die Menschen ihre vorgefertigte Meinung über mich geändert, aber auch ich habe meine Einstellung anderen gegenüber überdacht. Ich hatte noch nie in meinem Leben Verantwortung übernehmen müssen. Als junger Mann in Australien hatte ich diverse Jobs, und in England spielte ich in einer Band. Dafür brauchte es nur wenig Teamgeist. Seit ich als Teenager von zu Hause auszog, war ich immer nur für mich selbst verantwortlich. Ich musste mich nie um jemand anderen kümmern, immer nur um mich. Und selbst das tat ich nur, weil niemand da war, der für mich sorgte. Was für ein selbstsüchtiges Leben ich bisher geführt hatte! Alle meine Gedanken drehten sich immer nur um meinen persönlichen Überlebenskampf.
    Bob hatte mein Leben ganz schön umgekrempelt. Plötzlich war ich für ein anderes Lebewesen verantwortlich. Nur mit meiner Hilfe konnte er wieder gesund und glücklich werden. Ich wurde zum ersten Mal gebraucht.
    Das war eine ziemliche Umstellung, aber ich habe es hingekriegt. Es hat mir Spaß gemacht und es hat mir gutgetan. Vielleicht klingt das seltsam, aber zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich mir vorstellen, wie es wäre, ein Kind zu versorgen. Bob war mein Baby, und es war eine befriedigende Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ihm nicht kalt war, dass er genug zu fressen hatte und dass es ihm gut ging. Aber es war auch beängstigend.
    Dauernd machte ich mir Sorgen um ihn. Besonders, wenn wir in der Stadt unterwegs waren. Ob in Covent Garden oder sonst wo, immer hatte ich das Gefühl, Bob beschützen zu müssen. Bob hatte diesen Urinstinkt in mir ausgelöst, der mich zwang, ihn ständig im Auge zu behalten. Und ich hatte allen Grund dazu.
    Obwohl alle Leute so nett waren, seit Bob bei mir war, blieb ich wachsam. In den Straßen von London sind nicht nur gutherzige Touristen und Katzenliebhaber unterwegs. Der Anblick eines Straßenmusikers mit Katze, die so ihr Geld verdienen, löst nicht bei jedem Freude aus. Mit Bob an meiner Seite wurde ich nicht mehr so oft beschimpft wie früher, aber es kam weiterhin vor. Meist waren es junge, betrunkene Burschen, die sich für etwas Besseres hielten, nur weil sie am Monatsende eine Gehaltsabrechnung bekamen.
    »Steh auf und geh arbeiten, du langhaariger Penner«, war ein beliebter Satz. Und das war noch die harmloseste Version ihrer Pöbeleien.
    Diese Beleidigungen prallten schon lange an mir ab. Ich war daran gewöhnt. Aber wenn jemand seine Aggressionen an Bob auslassen wollte, wurde ich zum Löwenvater, der sein Junges bis aufs Blut verteidigt.
    Für manche Leute waren Bob und ich leichte Beute. Und wenn man auf der Straße sein Geld verdient, kommt man um solche Idioten einfach nicht herum. Sie machen abfällige Bemerkungen oder lachen über uns. Auch Drohungen sind keine Seltenheit.
    Es war an einem Freitagabend, kurz nachdem Bob und ich angefangen hatten, gemeinsam aufzutreten. Ich spielte gerade Johnny Cash auf der James Street, als eine Gruppe von schwarzen Hooligans auf uns aufmerksam wurde.
    Sie waren eine provokante Truppe und sichtlich auf der Suche nach einem Opfer. Als sie Bob neben mir entdeckten, versuchten zwei von ihnen, Bob mit »Wuff«- und »Miau«-Geräuschen zu erschrecken. Ihre Mitläufer-Kumpel fanden das sehr witzig.
    Ich versuchte, ihr kindisches Gehabe zu ignorieren. Aber dann versetzte einer der Jungs dem Gitarrenkasten, in dem Bob saß, einen derben Fußtritt. Es war kein spielerischer kleiner Stupser, sondern ein brutaler Tritt. Der Kasten schlitterte – mit Bob! – den Gehweg entlang.
    Bob erschrak ganz fürchterlich. Er stieß einen kehligen Schrei aus, der mir durch Mark und Bein ging, und sprang in Panik aus seinem sonst so sicheren Gitarrenkasten-Körbchen. Zum Glück hatte ich seine Leine daran festgebunden, sonst wäre er bestimmt in der Menschenmenge verschwunden, und ich hätte ihn nie wiedergefunden. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mit empört aufgeplustertem Fell hinter meinem Rucksack zu verstecken.
    »Hey, was soll das,

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