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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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ganz schön zugesetzt.
    Sie hatte mich auch dazu gebracht, lange und ausführlich über unsere Freundschaft nachzudenken. Sollte Bob mich je verlassen wollen, um wieder in Freiheit auf der Straße – oder wo auch immer er sonst hergekommen war – zu leben, dann könnte und sollte ich ihm das nicht verwehren.
    Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, was ich tun würde, wenn Bob eines Tages nicht mehr glücklich bei mir wäre. Wahrscheinlich würde ich ihn bei der RSPCA oder im Battersea-Heim für Hunde und Katzen abgeben. Die hatten ein sehr schönes Katzengehege. Schließlich wollte ich nicht sein Gefängniswärter sein. Ich hatte kein Recht, einen guten Freund wie ihn unglücklich zu machen. Das hätte er nicht verdient.
    Aber zum Glück musste ich eine solche Entscheidung nie treffen.
    Seit er fast verloren gegangen wäre, gab es Tage, an denen Bob lieber zu Hause blieb. Wenn er sich unter die Couch verkroch, sobald ich sein Geschirr vom Haken nahm, wusste ich, dass er nicht mitkommen wollte. Ich ließ ihm seinen Willen. Aber meistens kam er sofort angerannt, strich mir um die Beine und ließ sich schnurrend sein Geschirr anlegen. Aber etwas hatte sich geändert. Er ließ mich kaum noch aus den Augen, fühlte sich in meiner Nähe aber gut aufgehoben. Als wüsste er jetzt, dass ich ihn nie im Stich lassen würde.
    Trotz seiner schlechten Erfahrungen mit Menschenmengen war er in solchen Situationen jetzt weniger ängstlich als vorher. Vielleicht gaben ihm auch meine Vorsichtsmaßnahmen mehr Sicherheit. Seine Leine war nun immer am Karabinerhaken meines Gürtels festgebunden. Dadurch blieb er in meiner Nähe, auch wenn wir uns in einer Menschentraube fortbewegen mussten. Und er war anhänglicher denn je. Unsere Freundschaft war auf eine harte Probe gestellt worden – und hatte sie bestanden.
    Trotzdem war unser Leben kein Zuckerschlecken. Wenn man seinen Lebensunterhalt auf den Straßen von London verdient, kommt man um bedrohliche Situationen nicht herum. Etwa zwei Wochen nach der Begegnung mit dem aufgeblasenen Sumo-Monster trafen wir in Covent Garden auf eine Gruppe französischer Stelzenkünstler. Aus Katzenperspektive waren sie gigantisch, und mit ihren gruseligen Horrormasken und flatternden Gewändern waren sie Bob gar nicht geheuer. Er flüchtete auf meinen Schoß, während die langen Vogelscheuchen um uns herumstaksten. Ich konnte mich kaum auf das Singen konzentrieren, weil ich Probleme hatte, die Melodie auf der Gitarre beizubehalten. Bobs Schwanz peitschte vor lauter Aufregung hin und her. Immer wieder traf er damit das Griffbrett meiner Gitarre, sodass ich statt der Saiten nur noch Katzenhaare zwischen den Fingern hatte.
    »Bob, hör auf damit«, schimpfte ich und entschuldigte mich bei zwei Touristen, die bei uns stehen geblieben waren, um zuzuhören. Aber die fanden Bobs Faxen äußerst unterhaltsam und hielten meine Patzer für einen Teil unserer Show. Glaubten die wirklich, man könnte eine Katze dressieren?
    Kaum waren die Stelzenkünstler weitergezogen, rückte Bob wieder von mir ab und machte ganz auf cooler Kater. Er hielt mich wohl für seinen Bodyguard. Und der war ich auch verdammt gerne.
    Als das Weihnachtsfest 2007 näher rückte und unser erstes gemeinsames Kalenderjahr zu Ende ging, hatten wir uns prima zusammengerauft. Wir waren ein eingespieltes Team. Jeden Morgen, wenn ich aufstand, saß Bob bereits in der Küche vor seiner Schüssel und wartete geduldig auf seinen Dosenöffner. Sobald er sein Frühstück verschlungen hatte, wurden Gesicht und Pfoten fein säuberlich geleckt und das Fell auf Hochglanz poliert. Danach war meist der Besuch seines Freiluftkistchens angesagt, weil er sein Katzenklo in der Wohnung immer noch höchst ungern benutzte. Manchmal öffnete ich ihm nur die Wohnungstür, weil sich morgens meist jemand fand, der ihm unten die Haustür öffnete. Seine Lieblingsbüsche fand er auch ohne mich und dank um die Pfote gewickelter Nachbarn auch einen Türöffner für den Rückweg.
    Nach meinem Frühstück und meiner Morgentoilette schnappte ich mir Rucksack und Gitarre, und wir machten uns auf den Weg in die Innenstadt.
    Es waren nur noch wenige Tage bis zum 24. Dezember, und die Einkaufsstraßen waren entsprechend voll. Die Leute waren in vorweihnachtlicher Spendierlaune, und Bob wurde im wahrsten Sinne des Wortes mit Geschenken und Leckerchen überschüttet.
    Es hatte schon immer Passanten gegeben, die Bob etwas mitbrachten. Sein erstes Geschenk kam von einer

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