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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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Wochen ein Dach über dem Kopf, bis er etwas Neues gefunden hatte. Da ich selbst schon in einer solchen Notlage gewesen war, konnte ich das nicht ablehnen. Er schlief auf meinem Sofa.
    Zuerst war Bob gar nicht begeistert von unserem neuen Mitbewohner. Wahrscheinlich hatte er Angst, ich würde ihm nicht mehr genug Aufmerksamkeit schenken, wenn da noch ein Zweibeiner rumhing. Aber das hielt nicht lange an, denn Dylan war ein großer Tierfreund, und Bob hat schnell begriffen, dass er mehr Zuwendung bekam denn je. Bob stand sehr gern im Mittelpunkt.
    An diesem Nachmittag wollte Dylan mit uns in die Stadt kommen und sich Covent Garden ansehen. Es war sonnig und warm, genau das richtige Wetter für einen Ausflug. Während ich an meiner Lieblingsecke in der James Street meine Gitarre auspackte, spielte er mit Bob. Rückblickend bin ich immer noch froh und dankbar, dass Dylan an diesem Tag dabei war.
    Gerade als ich mir den Gitarrenriemen über den Kopf zog, bog mit hoher Geschwindigkeit ein Polizeibus um die Ecke und hielt mit quietschenden Reifen vor uns am Straßenrand. Drei uniformierte Beamte sprangen heraus und kamen zielstrebig auf uns zu.
    »Was ist denn jetzt los?«, fragte Dylan verdattert.
    »Keine Ahnung, die übliche Verwarnung, nehme ich an«, antwortete ich noch ganz gelassen. Natürlich würde ich ihnen wieder versprechen, hier nicht mehr zu spielen.
    Aber diesmal fuhren sie schwerere Geschütze auf.
    »Okay, Sie! Sofort mitkommen!«, sagte einer der drei Polizisten streng.
    »Wieso das denn?«, fragte ich verdattert.
    »Wir verhaften Sie wegen des Verdachts auf Nötigung.«
    »Was? Wen soll ich denn genötigt haben? Was, verdammt noch mal …« Sie ließen mich gar nicht ausreden. Einer hielt mich fest, der zweite las mir meine Rechte vor, und der dritte legte mir Handschellen an.
    »Wir klären das auf der Wache! Wir nehmen Ihre Sachen mit, und Sie steigen in den Bus, bevor wir ungemütlich werden«, drohte mir einer der drei Beamten.
    »Und was wird aus meinem Kater?«, fragte ich entsetzt und deutete auf Bob.
    »Wir haben Hundezwinger auf der Wache, da stecken wir ihn gerne rein«, antwortete ein anderer ungerührt. »Außer es gibt jemanden, der ihn mitnehmen kann.«
    In meinem Kopf drehte sich alles. Ich verstand das alles nicht. Es dauerte ein paar Sekunden, bis mir Dylan wieder einfiel. Er stand etwas abseits und sah betreten weg. Ganz offensichtlich wollte er nicht in die Sache hineingezogen werden.
    »Dylan, bitte kümmere dich um Bob!«, rief ich ihm zu. »Bring ihn nach Hause. Die Schlüssel sind im Rucksack!«
    Erleichtert sah ich, dass er nickte. Er hob Bob hoch und sprach beruhigend auf ihn ein. Bob wirkte total verstört. Er verstand nicht, warum mich die Männer von ihm trennten. Durch das vergitterte Rückfenster des Busses beobachtete ich die kleiner werdende Silhouette von Dylan und Bob auf dem Gehweg, bis die Entfernung sie verschluckte.
    Sie brachten mich zur Polizeiwache. Ich wusste immer noch nicht, worum es eigentlich ging. Ein Polizist schubste mich unsanft an den Empfang, wo mir ein Schreibtischhengst befahl, meine Taschen zu leeren. Dann verfrachteten sie mich in eine Zelle. Dort sollte ich warten, bis ein Polizeibeamter für mich Zeit hätte.
    Die karge Zelle war mit Graffiti übersät, und der Fußboden stank nach eingetrocknetem Urin. Der Geruch rief unangenehme Erinnerungen in mir wach. Es war nicht meine erste Begegnung mit einer Polizeiunterkunft. Vor meinem Drogenentzug war ich öfter wegen Bagatell-Diebstählen verhaftet worden.
    Wer auf der Straße lebt oder ein Drogenproblem hat, versucht immer irgendwie Geld aufzutreiben. Ladendiebstahl ist die einfachste Lösung. Mein Spezialgebiet war Fleisch. Ich klaute Lammkeulen und teure Filetsteaks. Jamie Oliver Steaks. Lammschenkel. Geräucherten Schinken. Das Zeug hatte den höchsten Wiederverkaufswert. Nur kein Hühnerfleisch. Das war zu billig und brachte nichts ein. Für hochwertiges Fleisch bekam ich die Hälfte des ausgezeichneten Ladenpreises. Pubs sind willige Abnehmer für diese Ware. Wenn sie teures Fleisch billig kriegen können, nehmen sie es. Pubs machen gern solche Geschäfte, das weiß jeder.
    Zum ersten Mal habe ich 2001 oder 2002 gestohlen, um meine Drogen bezahlen zu können. Davor habe ich dafür gebettelt. Ich hatte bereits ein Methadon-Programm hinter mir, war aber nur kurzfristig clean. Nach diesem ersten Entzug steckten sie mich in eine schäbige Notunterkunft, in der jeder auf Drogen war. Alles dort war

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