Bob, der Streuner
beiden Polizeibeamten starrten mich ungläubig an. Ihren Blicken nach waren sie überzeugt, dass ich sie anlog. Dann fragten sie, ob ich meine Aussage zu Protokoll geben wolle. Ich gab an, dass ich den ganzen Abend draußen vor der Angel Station Gitarre gespielt hatte und dass die Bilder der Überwachungskameras dies bestätigen würden. Währenddessen spielten sich in meinem Hinterkopf ganz andere Szenarien ab. Mein Herz raste vor Angst und ich konnte nur hoffen, dass die beiden Bullen meine Panik nicht bemerkten.
Vielleicht war das eine Falle? Wenn nun jemand die Überwachungsbilder des Vortages manipuliert hatte? Was passierte, wenn diese Geschichte vor Gericht landete und meine Aussage gegen die von drei vertrauenswürdigen Angestellten der Londoner U-Bahn-Gesellschaft stand?
Aber meine größte Sorge galt Bob.
Was würde aus ihm, wenn ich ins Gefängnis musste? Wer sollte sich um ihn kümmern? Würde er bei Fremden bleiben oder abhauen und in den Straßen von London verloren gehen? Könnte er allein auf der Straße noch überleben? Ich bekam pochende Kopfschmerzen von all diesen schrecklichen Gedanken.
Sie behielten mich noch mehrere Stunden auf dem Revier. Ich verlor jegliches Zeitgefühl. Der Verhörraum hatte kein Fenster, und ich hatte keine Ahnung, ob es draußen noch hell war oder schon dunkel. Irgendwann kam eine Polizistin in Begleitung eines schlecht gelaunten männlichen Kollegen herein.
»Ich brauche einen DNA -Test«, informierte sie mich. Ihr Begleiter baute sich mit verschränkten Armen in einer Ecke auf und starrte mich böse an.
»Kein Problem«, gab ich zur Antwort und ignorierte ihren Wachhund. Mein Gewissen war rein. »Was soll ich tun?«, fragte ich sie.
»Einfach sitzen bleiben und den Mund aufmachen. Ich nehme mit diesem Stäbchen etwas Speichel aus Ihrem Mund«, erklärte sie mir.
Sie öffnete einen kleinen Koffer, der voller Tupfer und Teströhrchen war.
»Mund bitte weit öffnen«, befahl sie, und ich fühlte mich plötzlich wie beim Zahnarzt. Aber die Prozedur war lange nicht so schmerzhaft. Die Beamtin steckte mir ein langes Wattestäbchen in den Mund und drehte es ein paar Mal an meiner Wangeninnenseite.
»Das war’s auch schon!« Sie verschloss das Wattestäbchen in einem ihrer Teströhrchen, schrieb meinen Namen auf einen Aufkleber und verstaute es in ihrem Koffer.
Kurz darauf durfte ich endlich gehen. Am Empfang bekam ich den Inhalt meiner Taschen wieder und musste dafür unterschreiben. Außerdem musste ich einen Schriftsatz unterzeichnen, der mich darauf hinwies, dass ich auf Bewährung entlassen war. Außerdem verpflichtete ich mich mit meiner Unterschrift, in zwei Tagen wieder zu erscheinen.
»Und wann werde ich wissen, ob man mich anklagt?«, fragte ich den Beamten hinter dem Tresen. Eigentlich erwartete ich keine Antwort. Aber ich bekam die Auskunft, dass dies in den nächsten beiden Tagen geklärt würde.
»Echt jetzt?«, fragte ich ungläubig nach.
»Höchstwahrscheinlich«, bestätigte er mir.
Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen oder davor fürchten sollte. Zumindest würde ich schnell erfahren, ob ich ins Gefängnis müsste oder nicht. Bei dem Gedanken, eventuell weggeschlossen zu werden – noch dazu für etwas, was ich definitiv nicht getan hatte – lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.
Als ich wieder auf der Straße stand, fand ich mich in einer stockdunklen Nebenstraße der Warren Street wieder. Ich erkannte die Umrisse von mehreren Gruppen Obdachloser, die – versteckt in Toreinfahrten – ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten.
Es war kurz vor 23 Uhr. Erst gegen Mitternacht erreichte ich die U-Bahn-Haltestelle Seven Sisters. Es waren nur noch Betrunkene und Nachtschwärmer unterwegs, die um diese Zeit aus den Pubs geworfen wurden.
Als ich endlich zu Hause ankam, atmete ich erleichtert auf. Dylan sah fern, und Bob hatte sich auf seinem Lieblingsplatz unter der Heizung zusammengerollt. Kaum hatte ich die Wohnungstür aufgeschlossen, sprang er auf und kam federnden Schrittes auf mich zu gelaufen. Dabei sah er mich mit schief gelegtem Kopf erwartungsvoll an, als wollte er sagen: »Na, wo kommst du denn jetzt her?«
»Hallo, mein Freund, alles okay?«, fragte ich, während ich in die Knie ging, um ihn zu streicheln. Er sprang sofort an mir hoch und rieb seinen Kopf an meiner Wange.
Dylan verschwand in der Küche. Als er zurückkam, reichte er mir wortlos eine kalte Dose Bier, frisch aus dem Kühlschrank.
»Ah, das brauche ich
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