Bob, der Streuner
jetzt! Vielen Dank!«, seufzte ich, riss die Dose auf und genehmigte mir einen großen Schluck.
Wir saßen noch lange zusammen und redeten. Während Bob selig über meine Rückkehr auf meinem Schoß schlief, zerbrachen sich Dylan und ich den Kopf darüber, was da heute gelaufen war. Auch wenn die gesamte U-Bahn-Belegschaft nicht gerade glücklich über meine Auftritte als Straßenmusiker vor der James Station war, konnte ich nicht glauben, dass sie mich für ein Verbrechen büßen lassen würden, das ich nicht begangen hatte.
Dylan versuchte mich zu beruhigen: »Nicht mal die würden es schaffen, deine DNA so zu manipulieren, dass sie mit der auf dem Schalterfenster übereinstimmt!«
Da hatte er zwar recht, aber ich war trotzdem ziemlich verunsichert.
In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Die Verhaftung hatte mich mehr mitgenommen, als ich dachte. Egal, wie oft ich mir vorsagte, dass alles gut gehen würde, ich konnte die dunklen Vorahnungen nicht abschütteln. Ich sah es buchstäblich vor mir, wie mein mühsam aufgebautes »normales« Leben zusammenbrach, wie ein Kartenhaus beim ersten Luftzug. Eine innere Stimme, die ich nicht abstellen konnte, raunte: »War’s das? Stürzt du jetzt wieder ab?« Ich fühlte mich so hilflos und wütend – und ich hatte eine Scheiß-Angst.
Am nächsten Tag machte ich einen großen Bogen um Covent Garden. Bob und ich spielten in der Neal Street und versuchten noch zwei weitere Plätze in der Nähe der Tottenham Court Road. Aber ich war nicht bei der Sache. Dauernd musste ich daran denken, was am nächsten Tag bei meinem Termin auf der Polizeistation passieren würde. Auch in der folgenden Nacht fand ich wenig Schlaf.
Mein Termin auf der Polizeistation war um zwölf Uhr mittags. Ich fuhr früh los, denn ich wollte nicht zu spät kommen und die Beamten noch mehr verärgern. Bob ließ ich zu Hause, nur für den Fall, dass es wieder Stunden dauern sollte. Mein feinfühliger kleiner Mitbewohner war genauso zappelig wie ich. Er spürte, dass ich nervös war, vor allem, weil ich mein Frühstück im Stehen einnahm. Ich konnte einfach nicht still sitzen. Wie ein eingesperrter Tiger lief ich in der Küche auf und ab, während ich meinen Toast hinunterwürgte. Bob lief immer hinter mir her oder zwischen meine Beine, sodass ich mehr als einmal stolperte.
»Keine Angst, Bob«, verabschiedete ich mich von ihm. Auf sein fragendes »Krrrk?« versicherte ich ihm: »Ich bin bald wieder da.« Ich wollte ihn nicht noch mehr beunruhigen. Wenn ich mir nur so sicher wäre, wie ich klang!
Ich brauchte eine Weile, um die Polizeistation wieder zu finden, die sich in einer kleinen Gasse parallel zur Tottenham Court Road versteckte. Hingefahren war ich in einem Polizeibus, und als ich rausgekommen war, war es finstere Nacht gewesen. Da war es nicht weiter verwunderlich, dass ich suchen musste. Trotz allem war ich zwanzig Minuten früher da. Bis zu meinem Termin stand und saß ich auf dem Korridor herum, unfähig, mich auch nur auf einen einzelnen Gedanken zu konzentrieren.
Endlich wurde ich in einen Raum gebeten, in dem zwei Beamte auf mich warteten: ein Mann in den Vierzigern und eine jüngere Frau.
Auf dem Tisch vor den beiden türmten sich Akten, die nichts Gutes verhießen. Hatten die etwa alles über meine Vergangenheit ausgegraben? Gott allein weiß, welche Leichen in diesem für mich nebulösen Keller meiner Drogenzeit zu finden waren.
Der ältere Mann teilte mir ohne Umschweife mit, dass die Vorwürfe gegen mich fallen gelassen wurden.
»Der DNA -Test war wohl negativ? Mein Speichel hat nicht zu dem am Schalter gepasst, was?« Die gute Nachricht hatte mir wieder Leben eingehaucht und eine Portion meines alten Selbstbewusstseins zurückgegeben.
Er gab mir keine Antwort, sondern sah mich nur mit der schmallippigen Andeutung eines Lächelns an. Er durfte dazu nichts sagen, das wusste ich. War auch nicht nötig. Sie mussten jetzt meine Version der Geschichte glauben. Jemand von den U-Bahn-Mitarbeitern hatte versucht, mich zu verleumden, zum Glück ohne Erfolg.
Sie ließen mich nur kurz durchschnaufen. Dann zogen sie ihr Ass aus dem Ärmel. Die junge Beamtin teilte mir mit, dass ich stattdessen wegen »illegalem Musizieren auf der Straße« oder, um es formell auszudrücken, wegen »Belästigung« angeklagt würde.
Sie schoben mir ein Blatt Papier unter die Nase und wiesen mich darauf hin, dass ich in einer Woche bei Gericht zu erscheinen hatte.
Total erleichtert verließ ich das
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