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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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den Handrücken, den ich mir abholen sollte? Wenn ich das nur wüsste!
    Während ich mich schlaflos in meinem Bett wälzte, kam die Erinnerung an die schäbige Art und Weise gewisser Leute wieder hoch, die mir meinen Job als Straßenmusiker vergällt hatten. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, schon wieder wegen infamer Lügen meine Existenz zu verlieren.
    Diesmal war es wirklich unfair. Bisher gab es noch nie Probleme; Sam hatte noch nie einen Grund gehabt, mich zu ermahnen. Viele Kollegen wurden wegen diverser Regelverstöße immer wieder von den Bezirksleitern gerügt, ohne je gesperrt zu werden. Konnte man nicht wenigstens in Betracht ziehen, dass ich regelmäßig mehr Zeitschriften verkaufte als die meisten meiner Kollegen?
    Da war zum Beispiel dieser schnoddrige, furchteinflößende Riese mit dem breiten Cockney-Dialekt aus dem Londoner Eastend. Der Kerl war berüchtigt unter den Kollegen. Seine Verkaufsstrategie beschränkte sich auf knurrende Drohungen statt einer freundlichen Einladung zum Kauf. Besonders Frauen fühlten sich von ihm bedrängt, weil er direkt auf sie zuging, sich in voller Lebensgröße dicht vor ihnen aufbaute und sie dabei auch noch unverschämt anbaggerte: »Los, Süße, kauf mir ein Magazin ab.« Es war, als würde er sagen: »Kauf eines, oder …«
    Ich hatte gehört, dass er vorüberhastenden Passanten gern ein zusammengerolltes Magazin in die offenen Taschen steckte. Dann baute er sich vor ihnen auf und verlangte sein Geld: »Das macht zwei Pfund, bitte!« Er lief seinen armen Opfern so lange hinterher, bis sie ihm Geld gaben, um ihn loszuwerden. Mit diesem Benehmen schadete er unser aller Ruf. Seine Opfer warfen das zwangsweise erworbene Magazin meist gleich in den nächsten Mülleimer. Man konnte nicht einmal sagen, dass er um sein Überleben kämpfte. Angeblich war dieser Brutalo ein Spieler, und die Kollegen erzählten sich, dass er seinen gesamten Verdienst umgehend in einarmige Banditen steckte.
    Dieser Kerl brach täglich so viele Regeln, aber er war immer noch da!
    Keine meiner angeblichen Verfehlungen war vergleichbar oder schlimmer als das Benehmen dieses Kerls. Außerdem war ich noch nie abgemahnt worden. Ich konnte nur hoffen, dass die Leute in der Personalabteilung das berücksichtigen würden. Aber ich konnte meine Situation überhaupt nicht einschätzen. Ich lag im Dunkeln und versuchte, meine aufsteigende Panik zu bekämpfen.
    Je länger ich darüber nachdachte, desto unsicherer und hilfloser fühlte ich mich. Ich konnte mir das nicht gefallen lassen!
    Am nächsten Morgen verließ ich wie üblich die Wohnung. Ich wollte versuchen, meine Magazine in einem anderen Stadtteil zu kaufen. Lieber wollte ich dieses Risiko eingehen, als mir in Vauxhall die Existenz wegnehmen zu lassen.
    Jeder Big-Issue -Verkäufer weiß, dass es überall in London Verteilerstände für die verschiedenen Bezirke gibt. Besonders viele davon sind in der Innenstadt rund um die Oxford Street, Kings Cross und Liverpool Street. Ich kannte inzwischen das komplette Netzwerk. Ich wollte mein Glück an der Oxford Street versuchen, wo ich bereits ein paar Leute kannte.
    Gegen Mittag war ich dort und versuchte, so unauffällig wie möglich meinen Einkauf zu tätigen. Ich hielt ganz kurz meinen Ausweis hoch und kaufte zwanzig Exemplare. Der Bezirksleiter war gerade sehr beschäftigt und nahm kaum Notiz von mir. Ich entfernte mich schnellstmöglich, um ihm keine Chance auf Fragen einzuräumen. Schwieriger war es, einen freien Platz zu finden, um meine Zeitschriften zu verkaufen. Es tat mir so leid, dass Bob sich wieder auf eine fremde Umgebung einstellen musste! Er war unruhig und unsicher in dem neuen Revier. Er brauchte Routine, konnte sich nur entfalten und wohlfühlen, wenn alles in seinen gewohnten Bahnen ablief. Er wollte sich nicht schon wieder umstellen. Genau so wenig wie ich. Aber wie sollte ich meinem armen Kater begreiflich machen, warum sich unser lieb gewordener Alltag schon wieder ändern musste?
    Immerhin verkaufte ich einen ansehnlichen Packen Zeitschriften, und am nächsten Tag ging es ebenso. Ich wechselte täglich den Standort. In meiner Verzweiflung bildete ich mir ein, ein Big-Issue -Suchtrupp wäre mir bestimmt schon auf den Fersen. Diese Vorstellung mag unlogisch und leicht verrückt klingen, aber ich hatte panische Angst, meinen Job und damit meine einzige und letzte Chance auf ein selbstbestimmtes Leben zu verlieren.
    In meiner paranoiden Vorstellung lief ein Schreckensszenario

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