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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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Sie etwas für sich und Ihren süßen Kater.«
    Das war eine dieser klassischen Situationen, in der Wahrnehmung und Wirklichkeit ganz unterschiedlich gesehen werden konnten. Nur wer neben uns stand, hätte gesehen, dass ich nicht um Geld gebeten hatte und dass ich sogar versucht hatte, die beiden wegen der Zeitschrift zu Geoff zu schicken. Aber für Geoff sah es aus, als hätte ich Geld angenommen, ohne eine Zeitschrift dafür auszuhändigen, was ebenfalls verboten war. Noch dazu dachte er, ich hätte den beiden geraten, ihn zu ignorieren.
    Mir war klar, dass er meine Begegnung mit den Amerikanern falsch deuten würde, also machte ich kehrt, um die Sache zu klären. Aber er gab mir keine Chance; schon von Weitem bombardierte er uns mit wüsten Beschimpfungen. Geoff war bekannt für seine aufbrausende Art und berüchtigt für seinen harten rechten Haken. Darauf hatte ich keine Lust. Er war so wütend, dass ein klärendes Gespräch in diesem Moment unmöglich war. Ich ließ ihn tobend zurück, damit er sich beruhigen konnte.
    Ich hatte schnell gemerkt, dass sich dieser Zwischenfall unter den Kollegen bereits herumgesprochen hatte. Ab diesem Moment lief eine Flüsterkampagne gegen mich.
    Anfangs waren es nur dumme Sprüche. »Na, flanierst du wieder?«, begrüßte mich ein Verkäufer, an dessen Standort ich jeden Morgen vorbeilief. Wenigstens beschimpfte er mich nicht.
    Ein Kollege von der St. Martin’s Lane sprach aus, was scheinbar viele dachten: »Na, welchem Verkäufer stiehlst du mit deinem räudigen Kater denn heute wieder die Kunden?«, zischte er mir zu.
    Ich habe immer wieder versucht, die Sache zu erklären, aber ich hätte genauso gut mit einer Wand sprechen können. Meine Kollegen tratschten und stachelten sich gegenseitig auf, indem sie zwei und zwei zusammenzählten und daraus fünf machten.
    Anfangs gab ich nichts auf das Getuschel, aber irgendwann lief alles aus dem Ruder. Ein paar Wochen nach dem Zusammenstoß mit Geoff wurde ich von betrunkene Kollegen bedroht. Natürlich ist Alkohol im Job für Big-Issue -Verkäufer strengstens verboten. Aber einige Verkäufer sind Alkoholiker und haben immer eine Dose »Extra starkes Lager« in der Tasche. Andere haben ihren Flachmann und gönnen sich den einen oder anderen Schluck Schnaps zum Durchhalten. An einem eisig kalten Wintertag habe ich das auch schon gemacht, wegen der inneren Wärme, aber diese Kerle waren täglich stockbesoffen.
    Als Bob und ich eines Tages über die Piazza von Covent Garden gingen, torkelte einer von ihnen auf uns zu und bedrohte uns mit schwerer Zunge und rudernden Armen: »Du verdammter Bastard, wir werden dich, verflucht noch mal, drankriegen!« Leider war das keine einmalige Entgleisung. Inzwischen passierte so etwas mindestens einmal pro Woche.
    Am Verteilerstand der Bezirksleitung musste ich mir eines Tages eingestehen, dass sich die Wut der Kollegen zu einem echten Problem entwickelte. Wie so oft hatte Steve die Nachmittagsschicht von Sam übernommen. Ich glaube nicht, dass er mich besonders mochte, aber Bob hatte er immer gestreichelt. An diesem Tag jedoch ließ er seine schlechte Laune an uns beiden aus. Ich saß auf einer Bank und hatte ihn gar nicht beachtet. Er kam zu mir und bellte gehässig: »Wenn es nach mir ginge, würdest du keine Big Issue mehr verkaufen. Du und dieser Kater, ihr seid nichts als miese Bettler!«
    Damit hatte er mich wirklich verletzt. Okay, ich war mal ganz unten. Aber ich habe mich wieder aufgerappelt. Mich wirklich bemüht, die Regeln der Big-Issue- Familie von Covent Garden einzuhalten. Ich habe immer wieder versucht zu erklären, dass ich Leute nicht vor den Kopf stoßen wollte, nur weil sie Bob mochten. Aber niemand hörte mir zu.
    Ja, und genau deshalb war ich nicht wirklich überrascht, dass ich ins Personalbüro zitiert wurde. Trotzdem brachte mich die Sache ins Straucheln.
    Wie betäubt und schwer verunsichert verließ ich Covent Garden. Ich stand auf der schwarzen Liste.
    An diesem Abend gingen Bob und ich früh schlafen. Es war schon ziemlich kalt, aber ich wollte in unserer verzwickten finanziellen Situation keinen Strom verschwenden. Während Bob sich am Fußende meines Bettes zusammenrollte, tat ich dasselbe unter meiner Decke. An Schlaf war nicht zu denken. Verzweifelt zermarterte ich mir den Kopf und suchte nach einer Lösung unseres Problems. Was sollte ich tun? Ich hatte keine Ahnung, was diese Sperre bedeutete. Sollten wir entlassen werden oder war es nur ein strafender Klaps auf

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