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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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würde. Ich stellte mir vor, wie ihn der alte Mann von nebenan verhätscheln und verwöhnen würde, wie er sorglos auf dem Vordach unter Belles Wohnung in der Sonne lag, während ich allein loshumpelte, um The Big Issue zu verkaufen.
    Diese Überlegungen waren durchaus berechtigt. Ich verbrachte immer mehr Zeit allein, weil ich fast nur in meinem Zimmer lag und schlief. Ich hatte viel weniger Geduld mit Bob als früher. Wenn er zu mir ins Bett kam, wollte er mit mir »Fang den Katzensnack« spielen, aber ich hatte keine Lust. Manchmal wollte er sich auf mein schmerzendes Bein legen, aber das war nicht auszuhalten. Mein Oberschenkel war inzwischen violett-rot, und die Schmerzen waren grausam.
    »Geh weg und spiel woanders, Bob«, sagte ich immer wieder und schubste ihn entweder von mir weg oder ganz vom Bett. Er gehorchte widerwillig und trollte sich missmutig aus meinem Schlafzimmer, aber nicht ohne herzzerreißende, enttäuschte Blicke à la »Gestiefelter Kater«. Erst viel später habe ich eingesehen, dass es nur zu verständlich war, dass er sich seine Streicheleinheiten anderswo suchen musste.
    Zurzeit bin ich ihm wirklich kein guter Freund , das war mir bewusst.
    Mein Zustand war eine Zumutung für alle in meinem Umfeld. Für mich natürlich auch, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich mich aus dem schwarzen Loch befreien sollte, in das ich über die letzten Wochen immer tiefer hineingefallen war.
    Eines Morgens jedoch wachte ich auf und hatte die Schnauze gestrichen voll. Ich musste endlich etwas unternehmen. Zum Teufel mit den Ärzten und ihrer anmaßenden Haltung gegenüber meiner Vergangenheit. Ich musste wissen, was los war, und ich wollte, dass die Schmerzen endlich aufhörten. Also zog ich mich an, schnappte meine Krücke und machte mich auf den Weg zum nächstbesten Hausarzt. Diesmal würde ich mich ohne eine anständige Untersuchung nicht mehr abwimmeln lassen.

    »Das ist aber eine interessante Krücke, die sie da haben, Mister Bowen«, sagte der Arzt, als ich endlich ins Sprechzimmer vorgelassen wurde.
    »Not macht erfinderisch«, antwortete ich und stellte meinen verwitterten Ast in die Ecke, um auf den Untersuchungstisch zu klettern. Endlich sah sich jemand mein Bein an.
    »Das sieht aber gar nicht gut aus. Sie dürfen mindestens eine Woche nicht mehr auftreten. Sollen wir sie krank schreiben?«, fragte er mich.
    »Nicht wirklich. Ich verkaufe The Big Issue «, erklärte ich ihm.
    »Okay, aber sie müssen darauf achten, das Bein immer hoch zu lagern. Außerdem müssen wir einen D-Dimer-Bluttest machen. Damit kann man feststellen, ob sich in Ihrem Körper Blutgerinnsel gebildet haben. Ich glaube, das ist hier der Fall.«
    »Alles klar«, stimmte ich zu.
    »Und dann wollen wir mal sehen, was wir wegen Ihrer Krücke für Sie tun können. Ich denke, wir haben da etwas Besseres als diesen Ast«, schmunzelte er.
    »Einen Rollstuhl vielleicht?«, fragte ich, weil mir die Begegnung auf dem Parkplatz wieder einfiel.
    »Leider nein. Aber ich könnte Ihnen ein hübsches Paar Krücken anbieten, bis wir diese Schwellung und Entzündung im Griff haben.«
    Als ich die Praxis verließ, war ich stolzer Besitzer von zwei echten Metallkrücken, komplett mit Gummigriffen, Armhalterungen und Stoßdämpfern. Ich hatte den Bogen schnell raus und tappte mit meinem unkontrolliert herumbaumelnden Bein zum Üben auf und ab. Ich fühlte mich unangenehm begafft, und mein Anblick war mir extrem peinlich – das war viel schlimmer als mit dem Ast unter dem Arm. Ich konnte die ungläubigen Blicke der anderen Leute richtig spüren. Es war echt deprimierend.
    Aber ich hatte genug Zeit mit Selbstmitleid verplempert. Gleich am nächsten Tag ließ ich den Bluttest machen. Leider war das gar nicht so einfach. Eine Blutprobe von einem Ex-Junkie zu nehmen ist leichter gesagt als getan. Die Lernschwester in der Klinik bat mich, meinen Ärmel hochzurollen. Leider gelang es ihr nicht, eine brauchbare Vene zu finden. »Hmmm, versuchen wir mal den anderen Arm«, schlug sie vor, aber der war auch nicht besser.
    Ihr Blick sprach Bände. Ich musste nichts mehr erklären.
    »Vielleicht sollte ich es mal versuchen«, bot ich an.
    Mit einem mitleidigen Blick übergab sie mir die Nadel. Als ich eine brauchbare Vene in meinem Bein gefunden hatte, entnahm sie die nötige Blutmenge. Solche beschämenden Situationen muss man als ehemaliger Drogensüchtiger einstecken können. Aber in Zukunft würde ich damit selbstbewusster umgehen, nahm ich mir vor.
    Als

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