Bob und wie er die Welt sieht
mir.
Belle kam mich besuchen. Sie brachte mir ein paar Bücher und Comic-Hefte. Und sie erzählte mir, dass es Bob gut ging.
»Ich glaube, er hat jetzt zusätzlich zu dem alten Mann noch jemanden gefunden, der ihn füttert«, erzählte sie mir lachend. »Er macht seinem Namen Six Dinner Bob alle Ehre.«
Ein paar Tage später waren die Ärzte endlich zufrieden. Die neue Dosierung hatte endlich angeschlagen, und meine Thrombose war am Abklingen. Mein Bein war nicht mehr so stark geschwollen, und auch meine normale Hautfarbe kehrte langsam zurück. Sobald die Ärzte und Krankenschwestern diese gravierende Besserung bemerkten, scheuchten sie mich sofort aus dem Bett.
»Es ist jetzt nicht mehr gut, wenn Sie den ganzen Tag nur herumliegen, Mister Bowen«, bekam ich nun zu hören.
Sie bestanden darauf, dass ich aufstand und mindestens zwei Mal am Tag den Gang entlang auf und ab lief. Eigentlich war es ein tolles Gefühl, wieder auftreten zu können, ohne bei jedem Schritt vor Schmerzen zusammenzuzucken. Vorbei waren die Höllenqualen in meinem Oberschenkel. Es tat zwar noch weh, aber es war viel besser geworden.
Die Ärzte hielten Wort, und ich durfte nach einer Woche endlich wieder nach Hause. Ich schickte Belle eine SMS mit der guten Nachricht. Sie schrieb zurück, dass sie mich am Nachmittag abholen würde.
Der Papierkram für meine Entlassung dauerte länger, als ich dachte, und so war es bereits früher Abend, als ich endlich meine Nachtwäsche aus- und meine Straßenklamotten anzog. Als ich meine sieben Sachen zusammengepackt hatte, humpelte ich zum Ausgang auf die Euston Road. Ich hatte meine Krücken dabei, aber eigentlich brauchte ich sie nicht mehr. Ich konnte wieder problemlos auftreten.
Belle hatte mir noch eine SMS geschickt. Sie wollte sich am Ausgang mit mir treffen.
»Wir treffen uns draußen. Erkläre alles, wenn ich dich sehe«, hatte sie geschrieben.
Wir wollten uns an der berüchtigten Skulptur treffen. Ich hatte andere Patienten über den riesigen, sechs Tonnen schweren, glatt polierten Stein lästern gehört. Dieses Stück moderne Kunst hatte das Krankenhaus mehrere Zehntausend Pfund gekostet und sollte angeblich dafür sorgen, dass sich Besucher und Patienten und Besucher bei Ankunft und Heimkehr »besser fühlen«. Das hat es bei mir nun nicht gerade bewirkt, aber als Stütze war es sehr nützlich, als mich die kalte Nachtluft fast umwarf. Ich lehnte mich an den überdimensionalen Kieselstein, um mich nach dem weiten Weg über mehrere unendlich lange Klinik-Korridore ganz ohne Krücken etwas zu erholen.
Ich war ein paar Minuten zu früh da und wartete auf Belle. Der abendliche Berufsverkehr hatte bereits eingesetzt, und da gehörten Staus immer dazu. Ich machte mich auf eine längere Wartezeit gefasst, aber zu meiner Erleichterung tauchte sie kurz darauf an der gegenüberliegenden Bushaltestelle auf. Sie hatte eine große Reisetasche dabei, wahrscheinlich mit frischer Kleidung und meiner Jacke. Erst als sie näher kam, sah ich ein rotes Fell aus der offenen Tasche blitzen.
Als sie die Treppen erreichte, steckte er seinen Kopf heraus.
»Bob«, rief ich überrascht.
Kaum hatte er meine Stimme gehört, strampelte er sich frei. Er setzte seine Vorderpfoten auf Belles Arm und stützte seine Hinterpfoten auf der Tasche ab, bereit für den Absprung.
Wir waren noch ein paar Meter voneinander entfernt, als sich Bob von der Tasche abfederte und auf mich zu hechtete. Es war der athletischste Sprung, den er je in meiner Anwesenheit vollführt hatte, und das will was heißen.
»Whoooow, mein Junge«, rief ich überwältigt aus und stürzte vorwärts, um ihn aufzufangen. Dann drückte ich ihn fest an meine Brust. Er saugte sich an mir fest wie eine kleine Napfschnecke an einen Stein, der vom Meer umspült wird. Dann schmiegte er seinen Kopf in meine Halsbeuge und rieb seine Wange an meiner.
»Ich hoffe, du bist mir nicht böse, aber deshalb konnte ich dich nicht drinnen abholen«, grinste Belle. »Er hat mitbekommen, dass ich ein paar von deinen Sachen zusammenpackte, und ist total durchgedreht. Ich glaube, er wusste, dass ich dich abholen wollte.«
All meine Zweifel über unsere Zukunft waren in diesem Augenblick wie weggefegt.
Auch auf dem Heimweg im Bus wich mir Bob nicht mehr von der Seite. Er wollte nicht wie sonst auf seinem eigenen Platz neben mir sitzen, sondern hockte auf meinem Schoß. Dann kletterte er auf meine Schulter, ließ sich dort, mit den Vorderpfoten auf meiner Brust, nieder
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