Bob und wie er die Welt sieht
und hörte nicht mehr auf zu schnurren.
Er führte sich auf, als wolle er mich nie wieder loslassen. Und mir ging es genauso.
Ein Sprichwort sagt: Keiner ist blinder als der, der nicht sehen will. In den nächsten Tagen und Wochen wurde mir klar, dass ich vor lauter Schmerzen das Offensichtliche nicht mehr wahrgenommen hatte: Bob hatte nie daran gedacht, mich zu verlassen, er hatte nur verzweifelt versucht, meine Schmerzen zu lindern und zu meiner Genesung beizutragen. Er hatte mir Freiraum gegeben, um gesund zu werden, und versucht, sich um mich zu kümmern. Und ich hatte vor lauter Selbstmitleid nichts davon mitbekommen. Erst als ich wieder gesund war, hat mir Belle erzählt, wie er immer nach mir gesehen hat, wenn ich schlief. Dass er sich auf mich legte und zwischendurch an meiner Brust horchte.
»Manchmal hat er dir mit der Pfote leicht auf die Stirn getippt und auf deine Reaktion gewartet. Ich glaube, er wollte nur sichergehen, dass du noch lebst«, lächelte sie.
Sie erzählte mir auch, dass er sich manchmal, wenn ich schlief, um mein Bein drapiert hat.
»Als wollte er seine ganz eigene Heilkraft anwenden. Es sah aus, als wollte er dir die Schmerzen nehmen«, erklärte sie. »Du bist zwar nie lange still gelegen, sodass er immer schnell wieder abgeworfen wurde, aber er wusste genau, wo du Schmerzen hattest, und hat verzweifelt versucht, etwas dagegen zu tun.«
Und ich war für diese Liebesbeweise völlig blind gewesen. Am meisten bereute ich, dass ich ihn im Wachzustand jedes Mal verscheuchte, wenn er ankam, um mich zu trösten, oder mir helfen wollte. Eingekapselt in meinen Schmerzen hatte ich nur noch selbstsüchtig und ichbezogen vor mich hin vegetiert. Bob liebte und brauchte mich genauso sehr wie ich ihn. Das werde ich nie wieder vergessen.
*
In all den Tagen, die ich nutzlos im Bett herumlag, habe ich mir etwas vorgenommen. Ein paar Wochen nach meiner Genesung machte ich dann endlich den bedeutungsschwersten Schritt in Jahren, wenn nicht in meinem ganzen Leben.
Beim nächsten fälligen Besuch in der Drogenambulanz in Camden hörte ich am Ende des Gespräches mit dem Arzt endlich den Satz, auf den ich seit Jahren hingearbeitet hatte. Der Arzt bestätigte meinen Wunsch mit den Worten: »James, ich glaube, du bist so weit.«
»Entschuldige bitte, aber wie soll das ablaufen?«
»Ich schreibe dir heute dein letztes Rezept aus. Diese Minimal-Dosierung Subutex nimmst du noch zu Ende. Ab diesem Tag bist du clean.«
Diese Klinik war über Jahre mein zweites Zuhause. Als ich dort ankam, war ich ein heroinsüchtiges Wrack und auf dem besten Weg in ein frühes Grab. Dank dieses wunderbaren Teams von Ärzten und Krankenschwestern ziehe ich mich seither langsam aber beharrlich aus dem Sumpf.
Nach dem Heroinentzug nahm ich lange Zeit die Ersatzdroge Methadon. Danach kam Subutex, das letzte Medikament in der jahrelangen Entzugsphase. Ich nahm es seit sechs Monaten.
Es wurde mir als Wundermittel angepriesen, und genau das war es auch für mich. Es hat meine Gier nach Drogen ganz einfach aufgelöst, ohne jegliche Begleiterscheinungen. Das Geheimnis liegt in der langsamen Reduzierung der Dosis. Von 8 auf 6 Milligramm, dann auf 4 und dann auf 2. Inzwischen nehme ich nur noch 0,4 Milligramm. Es war ein schmerzloser Prozess und viel einfacher, als ich mir je vorgestellt hatte.
Trotzdem verließ ich an diesem Tag die Klinik mit einem beklommenen Gefühl. Dabei hätte ich außer mir sein müssen vor Freude. Die Zeit für die Flugzeuglandung, von der einer meiner Ärzte in der Drogenambulanz gesprochen hatte, war endlich gekommen. Aber seltsamerweise machte mich dieser Gedanke sehr nervös, und dieses ungute Gefühl ließ mich auch in den nächsten Tagen nicht mehr los.
In der ersten Nacht bekam ich sogar Schweißausbrüche und leichtes Herzrasen. Nichts Ernstes, kein Vergleich zu den höllischen Entzugserscheinungen, die ich beim Absetzen von Methadon ertragen hatte. Wahrscheinlich war es nur die Angst vor irgendeiner dramatischen Reaktion meines Körpers auf das Fehlen von Subutex. Aber da war nichts. Es ging mir total gut.
Bob spürte meine ängstliche Stimmung und war der Meinung, ich brauchte eine Extraportion seiner Zuneigung. Nicht, dass er es übertrieben hätte. Kein Abhören meiner Brust und auch kein Antippen meines Kopfes mit der Pfote, um zu sehen, ob ich noch lebte. Er rückte auf der Couch nur etwas näher an mich heran als sonst und knuffte mir sein Köpfchen immer wieder mal in den
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