Bob und wie er die Welt sieht
Statistik wollte ich nicht aufscheinen.
»Los, Bob, lass uns verschwinden«, sagte ich, schnappte mein Zeug und gab Fersengeld.
Ich war wütend und verzweifelt. Dieser Zwischenfall hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Es musste etwas passieren. Ich konnte dieses Leben nicht mehr ertragen. Aber egal, wie sehr ich es wollte, ich sah keinen Ausweg, diesem Sumpf zu entfliehen. Auf einmal fand ich das Gespräch mit meinem Vater über Arbeit und Ausbildung so lächerlich! Was für ein absolutes Hirngespinst! Welcher Arbeitgeber würde einem ehemaligen Drogensüchtigen ein annehmbares Gehalt bezahlen? Und wer sollte einen Mitarbeiter einstellen, dessen Lebenslauf so kahl war wie das australische Hinterland, wo ich den Großteil meiner Kindheit verbracht hatte? An diesem Tag war ich so deprimiert wie selten, denn die nackte Wahrheit tat genauso weh wie die blutige Nase in meinem Gesicht: Keiner würde mich haben wollen!
11
Zwei coole Kater
I m September 2010, als ich eines Mittags an der U-Bahn-Haltestelle Angel ankam, wurde ich schon von Davika erwartet. Sie war Aufseherin an den Fahrkartenschranken und eine unserer treuesten Freundinnen, seit Bob und ich in Islington arbeiteten. Sie hatte immer etwas für Bob dabei und brachte ihm Wasser, wenn es heiß war. An diesem Tag jedoch überbrachte sie uns eine Nachricht.
»Hallo, James, da hat jemand nach euch beiden gefragt«, begrüßte sie uns. »Ein Reporter von der Lokalzeitung. Er hat mich gebeten, ihn anzurufen, wenn du mit ihm sprechen willst.«
»Echt?«, fragte ich verblüfft. »Ich glaube, da habe ich nichts dagegen. Sag ihm, er kann jederzeit in unserer regulären Arbeitszeit vorbeikommen.«
Das war nicht das erste Mal, dass wir jemandem aufgefallen waren. Es gab ein paar Videos im Internet von Bob und mir, die angeblich von einigen Tausend Leuten gesehen worden waren, und ein paar Londoner Blogger hatten auch schon nette Sachen über uns geschrieben. Aber von einer Zeitung hatte sich noch nie jemand für uns interessiert. Das war schon ein bisschen traurig, denn über die Jahre hatte ich schon die interessantesten, aber auch seltsamsten Angebote bekommen. Leider verliefen 99 Prozent davon im Sand.
Ein paar Tage später stand ein Mann vor dem U-Bahnhof und wartete auf uns, als wir ankamen.
»Hallo James, mein Name ist Peter«, begrüßte er mich. »Darf ich ein Interview für die Islington Tribune mit dir machen?«
»Ja klar, warum nicht?«
Er schoss ein paar Fotos von Bob auf meiner Schulter vor dem Schild mit der Aufschrift »Angel«. Ich fühlte mich nicht ganz wohl dabei, denn ich war nicht darauf vorbereitet und trug einen dicken Winterbart. Aber er war zufrieden mit den Fotos.
Dann unterhielten wir uns ein bisschen über meine Vergangenheit und wie Bob und ich uns gefunden hatten. Es war nicht gerade die spanische Inquisition, aber es reichte wohl für seinen Artikel. Er versprach, dass dieser in der nächsten Ausgabe der Islington Tribune erscheinen würde. Ich nahm die Sache nicht so ernst. Mit der Devise: Ich glaube es, wenn ich es sehe bin ich bisher immer am besten gefahren.
Ein paar Tage später, an einem Donnerstag, winkten mich Rita und Lee, die Vertriebsleiter der Verkaufsstelle Islington, zu sich.
»Hey James, du und Bob, ihr seid heute in der Zeitung«, sagte Rita und zeigte mir die Tribune .
»Echt?«, fragte ich überrascht.
Und tatsächlich, ein halbseitiger Artikel über uns von Peter Gruner. Die Überschrift lautete:
ZWEI COOLE KATER …
DER BIG ISSUE - VERKÄUFER
UND EIN STREUNER NAMENS BOB
Dann schrieb er:
Seit dem legendären Dick Whittington gab es auf den Straßen von Islington keinen berühmten Mann mit Katze mehr. Der Big Issue-Verkäufer James Bowen und sein sanftmütiger roter Kater Bob, die überall zusammen hingehen, sorgen für Gesprächsstoff, seit sie vor der U-Bahn-Haltestelle Angel aufgetaucht sind. Ihre Geschichte – über die bereits in vielen Blogs im Internet berichtet wird – hat so viel Herz, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis daraus ein Hollywood-Film wird.
Ich lachte herzlich über so viel journalistische Freiheit. Dick Whittington? Hollywood? Und außerdem sah ich auf dem Foto mit Bart ganz schrecklich aus. Aber alles in allem war es ein guter Artikel, das musste ich zugeben.
Also holte ich mir am nächsten Zeitungsstand ein paar Exemplare. Am Abend auf der Heimfahrt im Bus las ich mir den Artikel nochmals durch, und Bob sah mir dabei neugierig über die Schulter. Mir war, als
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