Bob und wie er die Welt sieht
gebrochene Seelen seien. Wir hätten uns gefunden, als wir beide nicht mehr weiter wussten. Und wir hätten uns gegenseitig geholfen, unsere Leben wieder zu kitten.
»Und das ist die Geschichte, die du erzählen musst«, erklärte er mir.
So hatte ich das noch nie gesehen. Natürlich wusste ich, dass Bob eine starke, positive Kraft in meinem Leben war, ich habe sogar ein Video auf YouTube gesehen, in dem ich sage: »Bob hat mir das Leben gerettet« – und das ist nicht gelogen. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass unsere Geschichte andere Leute interessieren würde.
Auch nachdem ich Garry ein zweites Mal zu einem ausführlicheren Gespräch getroffen hatte, war dieses Projekt für mich nichts weiter als ein Hirngespinst. Es gab so viele Wenn und Aber und Vielleicht. Wenn Garry und Mary mit mir arbeiten wollten, wäre vielleicht ein Verlag an dem Buch interessiert. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt werden konnten. So viele Hindernisse. Der Advent und das Jahresende standen vor der Tür, und ich musste mir eingestehen, dass ich noch eher an den Weihnachtsmann glauben konnte als an ein Buch mit unserer Geschichte.
Bob und ich lieben unser gemeinsames Weihnachtsfest. Unser erstes Weihnachten hatten wir beide zusammen zu Hause verbracht: Wir teilten uns ein Fertigmenü und sahen fern. Wenn man bedenkt, dass ich Heiligabend in den zehn Jahren zuvor entweder allein, in einem Obdachlosenheim oder zugedröhnt mit Heroin verbracht hatte, waren das die schönsten Festtage, die ich je erlebt hatte.
Das zweite Weihnachtsfest habe ich durch meine Reise nach Australien verpasst. Aber seither verbringen wir es immer gemeinsam.
In der Vorweihnachtszeit bekamen wir Unmengen von Geschenken, von Schals für Bob bis zu Geschenkgutscheinen für uns beide von allen möglichen Geschäften wie Sainsbury’s, Marks and Spencer und H&M. Bobs Lieblingsgeschenk: ein Adventskalender gespickt mit all seinen Lieblingsleckerchen. Er war total verrückt danach und hat schnell gelernt, mich morgens so lange zu nerven, bis ich das neueste Leckerchen aus dem Kästchen mit der Zahl des Tages herausgeholt hatte.
Außerdem bekamen wir ein wunderhübsches Weihnachtsmäntelchen für Bob. Für die erste Adventszeit hatte Belle eines für Bob geschneidert, aber das ging leider verloren. Das neue bestand aus einer roten, mit weißem Plüsch umrandeten Jacke samt passendem Mützchen. Die Passanten an der Haltestelle Angel waren ganz vernarrt in den Weihnachts-Bob.
Am ersten Weihnachtstag spielte Bob wieder länger mit dem Geschenkpapier als mit seinem Geschenk. Er wurde nicht müde, das knisternde Papier in die Luft zu schleudern und über den Teppich zu pfoteln. Zwischendurch wälzte er sich am Teppich auf dem Rücken vor lauter Wonne. Ich ließ ihn gewähren, schaute fern und daddelte ein bisschen auf der XB ox. Am Nachmittag kam Belle vorbei. Für mich war das ein wunderbares, harmonisches Familienfest.
Zwei Wochen nach Neujahr rief Mary an und teilte mir mit, dass die Leute eines großen Londoner Verlages, Hodder and Stoughton, Bob und mich kennenlernen wollten.
Ein paar Tage später fuhr ich mit Bob zu deren Büro, das in einem beeindruckenden Hochhaus in der Nähe der Tottenham Court Road lag. Zuerst verwehrten die Sicherheitsbeamten am Eingang Bob den Zutritt. Sie wollten uns nicht glauben, dass über ihn ein Buch geschrieben werden sollte. Ich verstand ihre Zweifel. Hodders Autoren waren Berühmtheiten wie John Grisham und Gordon Ramsay. Warum sollten sie ein Buch über einen verwahrlosten Kerl und seinen roten Kater herausbringen?
Eine Mitarbeiterin vom Verlag musste herunterkommen und das Problem lösen, aber danach wurden wir sehr herzlich aufgenommen. Vor allem Bob wurde wie ein kleiner König behandelt. Er bekam eine Tüte voller Katzenleckerchen und Spielzeug mit Katzenminze und durfte das ganze Büro inspizieren. Egal, in welchen Büroraum er spazierte, er wurde überall wie eine kleine Berühmtheit begrüßt. Alle machten Handyfotos und betüttelten ihn. Ich habe zwar schon immer an seine Starqualitäten geglaubt, aber mir war nicht klar, dass sie so ausgeprägt waren.
Ich dagegen musste an einer Besprechung teilnehmen, bei der eine schier endlose Zahl von Mitarbeitern kurz hereinkam, die über ihren Aufgabenbereich – von Marketing und Werbung bis Produktion und Verkauf – referierten. Dann redeten die anderen Teilnehmer der Besprechung noch endlos über Veröffentlichungstermine und
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