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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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Produktionspläne. Was mich betraf, hätten sie genauso gut Serbokroatisch oder Mandarin sprechen können.
    Doch langer Rede kurzer Sinn: Sie hatten eine Zusammenfassung des Materials gelesen, das Garry und ich ausgearbeitet hatten, und sie wollten das Buch tatsächlich herausbringen. Der Verlag hatte sich sogar schon einen Titel ausgedacht: Bob, der Streuner . Tennessee Williams würde sich vielleicht im Grab umdrehen, aber mir gefiel der Titel.
    Bald darauf wurde ich in die Agentur von Mary im Stadtteil Chelsea eingeladen. Auch das war ein sehr exklusives und auf mich ziemlich einschüchternd wirkendes Büro. Hier gingen eher die Nobel- oder Booker-Preis-Gewinner ein und aus, und so spürte ich auch den einen oder anderen schiefen Blick, als die Mitarbeiter schnallten, dass da ein Big Issue -Verkäufer und seine Katze in ihre ehrenwerten Hallen eingedrungen waren. Während Bob sich wieder auf Entdeckungstour begab, ging Mary mit mir den Vertrag durch, den mir der Verlag anbot. Sie versicherte mir, es wäre ein gutes Angebot, vor allem, wenn man bedenke, dass ich ein »unbekannter Autor« sei. Ich vertraute ihr und unterschrieb den ganzen Papierkram.
    In den vergangenen zehn Jahren habe ich vor allem ärztliche Rezepte und Entlassungspapiere der Polizei unterzeichnet. Es war ein seltsames Gefühl, meinen Namen unter einen echten Vertrag zu setzen, aber auch – das muss ich zugeben – ziemlich aufregend.
    Danach kam es immer wieder vor, dass ich morgens aufwachte und dachte, ich hätte das alles nur geträumt.
    So etwas passierte schließlich nicht jeden Tag – und schon gar nicht mir.

    Damals wollte ich Garry noch nicht in meine Wohnung lassen. Deshalb trafen wir uns ein- bis zweimal die Woche in Islington. Dieses Arrangement hatte Vor- und Nachteile. Ich konnte danach noch ein paar Stunden arbeiten und Geld verdienen. Aber da ich Bob dabeihatte, war es vor allem bei schlechtem Wetter schwierig, einen Platz zu finden, wo wir sitzen und reden konnten. In den Lokalen im Umkreis war Katzen der Zutritt verboten, und es war keine Bibliothek in der Nähe. Wir mussten eine Alternative finden.
    Die ersten, die uns Unterschlupf gewährten, war die Waterstone-Buchhandlung in Islington Green. Die Mitarbeiter dort kannten mich, weil ich oft mit Bob hineinging, um mich in der Science-Fiction-Abteilung umzusehen. Alan, der Geschäftsführer, hatte Dienst, als wir fragten, ob wir in einer ruhigen Ecke im Obergeschoss arbeiten dürften. Er erlaubte es uns nicht nur, sondern organisierte uns sogar zwei Stühle und versorgte uns mit Kaffee.
    Wenn die Sonne schien, setzten wir uns in den Vorgarten eines Cafés auf der Essex Road. Da konnte ich dann sogar rauchen.
    Garry und ich wollten mit dem Buch mehr erreichen als nur die Geschichte von Bob und mir aufzuschreiben. Wir wollten den Leuten einen Einblick in das Leben von Obdachlosen geben. Es sollte aufzeigen, wie schnell man durch das soziale Raster fallen kann und von der Gesellschaft übersehen und vergessen wird. Dafür musste ich leider auch meine dunkle Vergangenheit auspacken.
    Vor diesem Teil unserer Abmachung hatte ich schlichtweg Angst. Es fiel mir generell nicht leicht, über mich zu sprechen, aber über meine dunkle Vergangenheit zu plaudern war schier unvorstellbar. Leider gab es da eine Menge Dinge in den Jahren als Junkie, die ich in die hinterste Ecke meines Gedächtnisses verbannt hatte. Ich habe damals Entscheidungen getroffen, für die ich mich heute zutiefst schäme. Ich habe Dinge getan, die ich niemandem erzählen kann und schon gar nicht in einem Buch nachlesen möchte. Aber als wir anfingen zu reden, waren die Erinnerungen überraschenderweise viel weniger schmerzhaft, als ich befürchtet hatte. Ich hatte kein Geld für eine Therapie, aber die Gespräche mit Garry taten mir genauso gut wie eine Sitzung bei einem Psychotherapeuten. Ich musste mich zwar ein paar schmerzhaften Wahrheiten stellen, aber zu meiner großen Überraschung hatte das letztendlich eine eher befreiende Wirkung. Ich habe mich dadurch selbst besser kennengelernt.

    Ich war bestimmt kein einfacher Gesprächspartner. Ich hatte eine trotzige, selbstzerstörerische Ader, die mich immer wieder in Schwierigkeiten brachte. In unseren Gesprächen kam auch heraus, dass meine Kindheit mich ganz schön verkorkst hatte. Die frühe Scheidung meiner Eltern und die unsteten Jahre zwischen England und Australien hatten mich nicht gerade zu einer stabilen Persönlichkeit werden lassen. Als Kind habe ich

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