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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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immer alles getan, um mich anzupassen und beliebt zu sein, aber das hat nie funktioniert. Ich habe mich immer zu sehr bemüht, und das Ergebnis war immer das gleiche: Ich war ein Außenseiter und wurde teilweise sogar übel gemobbt.
    Als Teenager veränderte sich mein Benehmen. Ich war nur noch wütend und fing an, gegen meine Mutter und meinen Stiefvater zu rebellieren. Im Alter von elf bis dreizehn Jahren war ich zwei Jahre lang in Behandlung im Princess-Margaret-Kinderkrankenhaus in Perth. Irgendwann haben sie mich als bipolar oder manisch-depressiv eingestuft, was so ziemlich auf das Gleiche hinausläuft. Soweit ich mich erinnere, kamen sie jede Woche mit einer anderen Diagnose. Jedenfalls musste ich diverse Medikamente einnehmen, eines davon war Lithium, das als vorbeugende Therapie bei bipolaren Störungen eingesetzt wird.
    Ich erinnere mich an diese Zeit mit sehr gemischten Gefühlen. An die wöchentlichen Bluttests im Krankenhaus denke ich mit Schaudern zurück. Die Wände der Ambulanz waren vollgeklebt mit Postern von Rock- und Popstars. Während sie mir Blut abnahmen, starrte ich regelmäßig auf Bilder von Gladys Knight and the Pips.
    Der Arzt versicherte mir jedes Mal, dass der Stich in den Arm nicht wehtun würde. »Es ist nur ein kleiner Piekser«, höre ich ihn heute noch sagen, aber es tat immer weh. Der Witz ist, dass ich danach jahrelang eine Spritzenphobie hatte. Daran sieht man, wie schlimm meine Sucht gewesen sein muss. Die Drogen haben mich sogar dazu gebracht, meine Phobie zu überwinden.
    Schöner war da schon die Zeit, als ich nicht mehr ins Kinderkrankenhaus musste. Da wollte ich unbedingt etwas Gutes tun und fing an, dem Krankenhaus Comics zu stiften. Ich hatte einen Job in einem Comic-Buchladen gefunden und überredete den Chef, mir alle unverkauften Hefte für das Kinderkrankenhaus zu überlassen. Ich hatte dort im Spielzimmer so viele Stunden mit Air Hockey und Videospielen verbracht, dass ich wusste, wie sehr sich die Kinder über cooles Lesematerial freuen würden.

    Eigentlich kramte ich nicht gern in der Erinnerungskiste. Aber ich habe mich dem Rückblick auf meine Kindheit gestellt und alles aus einem neuen Blickwinkel betrachtet.
    In der Zeit, als wir am Buch arbeiteten, sah ich eines Abends eine Dokumentation von Louis Theroux, die mich sehr nachdenklich machte. Es ging darum, dass immer mehr amerikanische Eltern Psychopharmaka einsetzen, um ihre Kinder mit ADHS , Asperger Autismus und bipolaren Störungen zu behandeln.
    Erst da begriff ich, dass meine Mutter genau dasselbe mit mir gemacht hatte. Und ich hörte zum ersten Mal, dass diese Behandlung eine starke Persönlichkeitsveränderung bei den Jugendlichen bewirkt. Für mich stellte sich sofort die Frage, wie das wohl bei mir gewesen war. Ich kam nicht umhin, mir die Huhn-oder-Ei-Frage zu stellen: Bekam ich die Medikamente, weil ich ein anstrengendes Kind war? Oder wurde ich anstrengend wegen all der Medikamente und Arztbesuche, die mich davon überzeugten, dass mit mir etwas nicht stimmte? Die unheimlichste aller Fragen war allerdings: Welche Auswirkungen hatten all die Psychopharmaka, die ich damals schlucken musste, auf mich und meine sich gerade entwickelnde Persönlichkeit? Als kleiner Junge war ich so unbekümmert und sorglos, wie Kinder nun mal sind. Aber seit meiner »Behandlung« im Kinderkrankenhaus war ich, was man landläufig als »gestört« bezeichnet. Ich hatte Probleme, mich in die Gesellschaft einzufügen, hatte Depressionen und starke Stimmungsschwankungen. Gab es da einen Zusammenhang? Keine Ahnung.
    Trotz alledem war klar, dass ich weder die Ärzte, noch meine Mutter oder sonst jemanden dafür verantwortlich machen konnte, wie sich mein Leben seither entwickelt hatte. Natürlich haben sie eine Rolle gespielt, aber die Verantwortung liegt allein bei mir. Niemand hat mir gesagt, ich solle Drogen nehmen. Niemand hat mich gezwungen, in London obdachlos auf der Straße zu leben. Niemand hat mich gezwungen, Heroin zu nehmen. Das waren alles falsche Entscheidungen, die ich selbst getroffen habe. Ich habe es ganz allein geschafft, mein Leben so zu verkorksen.
    Selbst wenn das Buch sonst nichts bewirken konnte: Es war meine Chance, wenigstens das klarzustellen.
    *
    Mein Vater starrte mich wortlos an. Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Überraschung, Freude, Stolz – aber auch leichter Bestürzung.
    »Das ist eine Menge Geld, Jamie«, sagte er dann und legte den braunen Scheck, den ich ihm gerade in die Hand

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