Bob und wie er die Welt sieht
als Bildschirmschoner. Farbenprächtige exotische Fische zogen auf einem Meeresgrund an uns vorüber. Kein Wunder, dass Bob begeistert war: Es sah atemberaubend echt aus.
Wir blieben vor dem riesigen Bildschirm stehen, damit Bob die Unterwasserwelt ein paar Minuten bestaunen konnte. Ich hatte meinen Spaß daran, ihm dabei zuzusehen. Sein Blick heftete sich an einen bestimmten Fisch, und er verfolgte ihn, solange er auf dem Bildschirm herumschwamm. Aber irgendwann verschwand der Fisch von der Bildfläche. Das verwirrte Bob, und er suchte hektisch nach dem verloren gegangenen Fisch. Er konnte nicht begreifen, wo er abgeblieben war, und drängelte sich sogar hinter den Bildschirm, weil er hoffte, ihn dort wiederzufinden. Aber dort gab es nur eine silberne Wand und ein paar Kabel, also sprang er wieder hervor, um den nächsten Fisch zu belauern.
Das Spiel wiederholte sich mehrmals, bis er sich in einem Kabel verhedderte und völlig ausrastete. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich nur kurz abgewandt. Als ich mich wieder zu ihm umdrehte, hatte sich ein weißes Kabel um seine Hinterpfote gewickelt. Er zog daran und war kurz davor, eine große Konsole vom Tisch zu ziehen.
»Mein Gott, Bob, was machst du denn?«, rief ich entsetzt.
Aber ich war nicht der Einzige, der Bobs Zwangslage sah. Ein paar Apple-Mitarbeiter standen daneben und lachten sich schief.
»Er ist ein Star, nicht wahr?«, fragte einer von ihnen.
Leider kam dann ein Vorgesetzter dazu, der Bobs gefährliches Spiel gar nicht lustig fand.
»Wenn er hier etwas kaputtmacht, müssen wir Ihnen das leider in Rechnung stellen«, warnte er mich. Angesichts der Preise auf den ausgestellten Produkten befreite ich meinen Kater schnellstens von dem Kabel und suchte das Weite mit Bob, dem Computer-Freak.
*
London ist für Bob die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten, Mist zu bauen. Sogar in den U-Bahn-Gängen schafft er das.
Anfangs, als Bob mit mir unterwegs war, schmiegte er sich noch ängstlich an mich, wenn wir in der Londoner »Tube« unterwegs waren. Er hasste die steilen Rolltreppen, und auch in den Aufzügen fühlte er sich in der beengten Atmosphäre während der Stoßzeiten unwohl. Aber mit der Zeit hat er diese Angst überwunden. Inzwischen besitzt er sogar seinen eigenen Fahrausweis, den ihm die Angestellten der Haltestelle Angel geschenkt haben, und er benimmt sich da unten wie jeder andere Londoner auf seinen täglichen Fahrten. Er läuft selbst in den Tunneln, wenn auch immer so nah wie möglich an der Wand entlang, wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen. Wenn wir auf den Bahnsteig kommen, steht er vorschriftsmäßig hinter der gelben Linie, und wenn der Zug einfährt, lässt er sich selbst von diesem ohrenbetäubenden Lärm nicht mehr aus der Ruhe bringen. Er wartet geduldig, bis der Zug hält und sich die Türen öffnen. Dann springt er hinein und sucht sich einen leeren Sitzplatz.
Die Londoner sind bekannt dafür, sich nicht um ihre Mitreisenden zu kümmern, aber selbst die hochnäsigsten und hartherzigsten unter ihnen schmolzen dahin, wenn Bob gelassen auf seinem Platz saß. Sie zückten ihre Handys, fotografierten ihn und verließen die U-Bahn mit einem Lächeln. Das Leben in London kann furchtbar unpersönlich sein und hat schon so manche empfindsame Seele zerstört. Wenn ich daran denke, dass Bob für diese Menschen ein Lichtblick ist, freue ich mich.
Aber das U-Bahn-Fahren hat auch seine Tücken.
Eines Abends waren wir auf dem Heimweg aus der Innenstadt und nahmen die U-Bahn zur Haltestelle Seven Sisters, die meiner Wohnung am nächsten lag. Damals waren im Untergrund viele Bauarbeiten im Gange, und der neugierige Bob war sehr interessiert an den Geräten und schweren Baukränen, die überall herumstanden und -lagen.
Als wir auf der Rolltreppe nach oben fuhren, bemerkte ich, dass sich Bobs Schwanz klebrig anfühlte. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich das Zeug als schwarze, teerartige Schmiere, die nicht nur seinen Schwanz, sondern auch eine Körperseite verdreckt hatte.
Er muss unten in den U-Bahn-Tunneln an etwas entlanggestrichen sein, denn vorher war sein Fell noch sauber gewesen. Keine Ahnung, was das war. Es sah aus wie Maschinenöl oder dickes Schmierfett. Wahrscheinlich hatte er mit einer Baumaschine herumgeschmust.
Dieses Zeug war bestimmt nicht ungefährlich für Bob. Inzwischen hatte auch er die Verschmutzung entdeckt und wollte gleich mit einer ausführlichen Katzenwäsche beginnen.
Mein Handyguthaben war mal wieder fast
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