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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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gar nicht so wichtig ist.
    So mag er beispielsweise auch den Innenhof der Kirche im Stadtteil St. Giles in the Fields an der Tottenham Court Road sehr gerne. Wenn wir von unserer Bushaltestelle an der Tottenham Court Road Richtung Neal Street und Covent Garden gehen, wird er unruhig auf meiner Schulter und lässt mich wissen, dass er da gerne Pause machen würde.
    Der Friedhof an der Kirche St. Giles ist eine Oase der Ruhe mitten in einem der überfülltesten Stadtteile Londons. Es gibt da Bänke, auf denen man sitzen und die Seele baumeln lassen kann. Aus einem unerfindlichen Grund ist Bobs Lieblingsplatz für sein Geschäftchen dort eine Stelle, die von der vorbeilaufenden Straße gut einsehbar ist. Die Flut von Passanten, die sozusagen neben ihm vorbeizieht, lässt Bob total kalt. In aller Ruhe vergräbt er genau dort seine Ausscheidungen.
    Ähnlich seltsam war sein Lieblingsplatz, als wir noch auf der Neal Street arbeiteten. Da hatte er sein Herz an ein Stück Grünfläche vor einem riesigen Bürogebäude auf der Endell Street verloren. Mehrere Stockwerke mit Konferenzräumen und Büros, aus denen ihn viele Augenpaare beobachten konnten; also auch nicht gerade der privateste Fleck in London. Aber Bob fühlte sich dort wohl und quetschte sich tief ins Strauchwerk, wo er alles schnell und sauber erledigte.
    Egal wo Bob ist, sein Toiletten-Ritual ist ihm, wie allen Katzen, heilig. Zuerst gräbt er ein Loch, positioniert sich genau darüber und erleichtert sich. Dann kratzt er Erde darüber, um jegliche Beweise zu vernichten. Er achtet peinlich genau darauf, wieder eine ebene Fläche herzustellen, damit keiner auf den Gedanken kommt, an der Stelle etwas zu vermuten. Ich frage mich immer wieder, warum Katzen in dieser Hinsicht so pedantisch sind. Irgendwo habe ich gelesen, dass es etwas mit ihrem Revierverhalten zu tun hat.
    Wenn wir am Soho Square arbeiteten, musste Bob immer die nahe gelegene Grünanlage besuchen. Das ist einer der schönsten kleinen Parks in der Londoner Innenstadt, aber Bob liebt ihn aus anderen Gründen. Zum einen gibt es dort ein Hundeverbot. Das war auch für mich sehr angenehm, denn da musste ich nicht ständig aufpassen, wenn Bob frei herumlief. Zum anderen war dieser Park besonders spannend, vor allem im Sommer. In keinem anderen Park gab es so viele Vögel, und Bob war fasziniert von den gefiederten Flattertieren. Wenn er sie beobachtete, saß er ganz still und starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Dabei gab er kleine, aufgeregte Laute von sich, die klangen wie mja, mja, mja. Es klang total süß, aber in Wahrheit war es wohl eher so etwas wie eine Kampfansage. Ich habe gelesen, dass Wissenschaftler meinen, Katzen mimen ihr Essverhalten, wenn sie mögliche Beute vor sich sehen. In anderen Worten, sie üben schon mal das Zerquetschen zwischen ihren Zähnen, nur für den Fall, dass sie ihre Beute auch erwischen. Dann müsste man diese Laute wohl eher mit »jam, jam« interpretieren.
    Das klingt sinnvoll. Wenn Bob frei in Parks herumläuft, ist die Jagd nach Mäusen, Ratten und anderen Kreaturen seine Lieblingsbeschäftigung. Er schleppt dann etwas im Maul an und legt es mir als Geschenk vor die Füße. Vielleicht hat er das tote Tier gefunden, aber viel wahrscheinlicher hat er es wohl umgebracht.
    Eines Tages brachte er ein wirklich ekeliges Geschenk. Ich las gerade einen Comic in Soho Square Park, als er mit stolzgeschwellter Brust auf mich zu trabte. Aus seinem Maul hing ein abgetrennter Rattenkopf.
    »Pfui Teufel, Bob! Das wird dich krank machen«, schimpfte ich. Aber er wusste selbst, was gut für ihn war. Er wollte das widerliche Ding gar nicht fressen. Er schleppte es in eine ruhige Ecke und fing an, damit zu spielen, wie zu Hause mit seiner Schmuddelmaus. Ich bin es gewohnt, dass Bob immer und überall bewundernde Blicke auf sich zieht, aber an diesem Tag spiegelte sich nur Entsetzen und Abscheu in den Gesichtern der Menschen, die an ihm vorbeigingen.
    Ich gehörte noch nie zu den Katzenbesitzern, die ihre Fellnasen für kleine Engel halten, die keiner Fliege etwas zuleide tun könnten. Ich wusste genau, dass Bob ein Jäger war, und zwar ein verdammt guter. Wenn wir auf einem anderen Erdteil leben würden, hätte ich Angst um ihn. In Teilen der USA , in Australien und Neuseeland haben sie versucht, eine nächtliche Ausgangssperre für Katzen durchzusetzen. Sie behaupten, dass Katzen die Vogelwelt ausrotten. Aber dieses Problem hatten wir in London zum Glück nicht. Daher durfte

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