Bob und wie er die Welt sieht
Bob alles tun, was in seiner Natur lag, solange er dabei nicht riskierte, sich selbst zu verletzen.
Das macht nicht nur Bob Spaß, sondern meist auch mir, wenn ich ihm dabei zusehe.
Eines Tages, als Titchs Hund Prinzessin wieder einmal bei uns war, wollte ich mit den beiden in einen kleinen Park in der Nähe meiner Wohnung. Nicht gerade die exklusivste Grünanlage in London. Sie bestand aus einem heruntergekommenen Basketballplatz und einer von Bäumen umgebenen Wiese. Aber den beiden reichte das völlig aus, um ein bisschen Spaß zu haben.
Ich saß auf einer Bank und hatte Bob an einer extralangen Leine, als er plötzlich ein graues Eichhörnchen entdeckte.
Prinzessin sah es auch, und beide rasten auf das arme Tierchen zu. Aber das Eichhörnchen war nicht dumm und flüchtete leichtfüßig auf den nächsten Baum. Bob und Prinzessin ließen sich davon aber nicht entmutigen. Ich beobachtete die beiden, wie sie gemeinsam ausheckten, wie man die Beute aus dem Baum scheuchen könnte. Genauso gut hätte ich einen Polizeieinsatz bei einer Geiselnahme beobachten können.
Prinzessin bellte hin und wieder, um das Eichhörnchen einzuschüchtern. Wenn es zwischen den Blättern auftauchte oder seine Position wechselte, verschoben auch die beiden unter dem Baum ihren Wachposten. Bob hielt die Stellung auf der einen Seite des Baumes und Prinzessin deckte den Fluchtweg auf der anderen Seite ab. Geschlagene zwanzig Minuten hofften die beiden tatsächlich, dass das Eichhörnchen dumm genug wäre herunterzukommen. Erst dann gaben sie auf.
So mancher Parkbesucher hat mich bestimmt für einen Verrückten gehalten, weil ich dasaß und scheinbar grundlos vor mich hin grinste oder kicherte. Niemand sah, dass ich das Privileg eines Live-Tier-Comics genoss.
13
Staatsfeind Nr. 1
D er Sommer stand vor der Tür und die Mittagssonne war kaum noch auszuhalten. Also suchte ich mir mit Bob ein schattiges Plätzchen vor dem U-Bahnhof Angel. Ich holte eine Schüssel aus meinem Rucksack, um sie für Bob mit Wasser zu füllen. Dabei bemerkte ich zwei Männer, die auf uns zukamen.
Sie waren ganz leger gekleidet, trugen Jeans und T-Shirts. Einer der beiden war um die dreißig, der andere bestimmt zehn Jahre älter. Fast im Gleichtakt holten sie ihre Polizeimarken aus den Hosentaschen und wiesen sich als Inspektoren für kommunale Sicherheit, Islington, aus.
»Hallo! Wie ist Ihr Name bitte?«, sprach mich der Ältere an.
»Ähm, James Bowen. Warum?«
»Mister Bowen, uns liegt eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen Sie vor. Das ist eine ernste Anschuldigung, und wir müssen Sie bitten, uns für ein paar Fragen auf das Kommissariat zu begleiten«, sagte der Jüngere.
Polizisten in Zivilkleidung gehörten zum Alltag in London, und ich durfte schon sehr viele von ihnen kennenlernen. Zum Glück waren die beiden sehr höflich, was man leider von den meisten ihrer Kollegen nicht behaupten kann. Polizisten sind nicht gut auf Big Issue -Verkäufer zu sprechen und werden gegen uns schnell handgreiflich.
Ich bat sie um ein paar Minuten Geduld, um meine Sachen zu packen und Bob noch zu Ende trinken zu lassen. Sie hatten keine Einwände. Sie teilten mir mit, dass wir zur Dienststelle in der Tolpuddle Street gehen müssten.
»Dauert nur ein paar Minuten bis dahin«, informierte mich der jüngere Polizist.
Ich war überrascht, wie ruhig ich blieb. Früher hätte ich Panik bekommen und wahrscheinlich protestiert oder mich vielleicht sogar gewehrt. Ich war froh, dass ich meine Gefühle inzwischen besser unter Kontrolle hatte als früher. Außerdem war ich mir keiner Schuld bewusst. Ich hatte niemanden angegriffen.
Die Polizisten waren auch locker drauf. Auf dem Weg zur Polizeidienststelle schlenderten sie gemächlich vor uns her. Zwischendurch fiel der eine oder andere zurück, um neben uns her zu laufen. Einmal fragte mich der jüngere der beiden, ob ich auch verstand, was hier passierte und ob ich meine Rechte kannte.
Ich nickte.
Sie beschuldigten mich keiner Straftat, sondern ich sollte ihnen nur bei ihren Ermittlungen helfen. Kein Grund, gleich nach einem Anwalt zu schreien, zumindest noch nicht.
Natürlich zerbrach ich mir den Kopf darüber, wer da Anschuldigungen gegen mich vorgebracht haben könnte. Es gab leider mehrere Möglichkeiten.
Die naheliegende Erklärung war, dass mir irgendjemand den Tag verderben wollte. Leider kam das ziemlich oft vor. Ich habe das schon bei anderen Verkäufern und auch bei Straßenmusikern mitbekommen. So
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