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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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zu stehen, habe ich nicht wirklich an mich herangelassen. Ich war immer schlauer als jeder Fachmann, oder zumindest habe ich mir das eingebildet.
    Mit Bob war das anders, auch wenn das etwas seltsam klingen mag. Er hat mir genauso viel, wenn nicht sogar mehr beigebracht als jeder Mensch, dem ich bisher begegnet bin. Seit unserem Zusammentreffen hat er mir viele wichtige Lektionen über Verantwortungsbewusstsein, Freundschaft und Selbstlosigkeit erteilt. Dank ihm habe ich sogar angefangen, meine Eltern zu verstehen.
    Ich glaube nicht, dass ich je Kinder haben werde. Ich bezweifle stark, dass ich damit klarkommen würde, und ehrlich gesagt, hatte sich die Frage bisher auch nie gestellt. Ich hatte zwar die eine oder andere Freundin über die Jahre, von denen aber nur Belle übrig geblieben ist. Wir sind immer noch eng befreundet, und sie gehört zu den wichtigsten Menschen in meinem Leben. Aber eine Familie zu gründen war nie ein Thema. Wie Belle es einmal so treffend ausdrückte, war ich meist viel zu sehr damit beschäftigt, mich selbst wie ein Kind aufzuführen.
    Meine Verantwortung für Bob hatte mir allerdings die Augen dafür geöffnet, wie man sich als Vater fühlt. Elternschaft ist mit vielen Sorgen verbunden. Mal sorge ich mich um seine Gesundheit, mal um seine Sicherheit. Nicht nur, wenn wir auf der Straße unterwegs sind, aber dann natürlich ganz besonders. Außerdem muss ich ständig darauf achten, dass er nicht friert und gut frisst. So gesehen, ist das Leben mit Bob eine Endlosschleife aus Sorgen und Ängsten.
    Erst seit ich diese kenne, verstehe ich die Wut meines Vaters bei meinem ersten Anruf, nachdem ich über ein Jahr in London als vermisst gegolten hatte. Ich war damals schon am Höhepunkt meiner Drogensucht, und sowohl meine Mutter als auch mein Vater waren fast verrückt vor Sorge um mich.
    »Du hast ja keine Ahnung, welche Sorgen sich Eltern um ihr Kind machen«, hatte er außer sich vor Wut ins Telefon geschrien und mir Selbstsucht vorgeworfen, weil ich mich über ein Jahr nicht gemeldet hatte.
    Damals hielt ich seine Reaktion für reichlich übertrieben. Erst seit Bob bei mir ist, kann ich die Gefühlshölle nachvollziehen, in der ich meine Eltern gedankenlos ein Jahr schmoren ließ. Am liebsten würde ich die Uhr zurückdrehen, um ihnen diesen Kummer zu ersparen.
    So viel zu den Nachteilen. Die nimmt man aber gern in Kauf, weil Eltern mit ihren Kindern auch viel Spaß haben und man so viele Glücksmomente erleben darf. Auch das habe ich von Bob gelernt. Bevor ich Bob traf, gab es für mich viele Jahre lang keinen Grund für echte Lebensfreude. Er hat mich gelehrt, wieder glücklich zu sein. Ich denke da an die vielen kleinen, unerwarteten Momente, in denen Bob es schafft, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

    Wie zum Beispiel an jenem Samstag, als es an meiner Wohnungstür klopfte. Vor der Tür stand mein Nachbar aus der Wohnung gegenüber.
    »Hallo, ich wollte nur sagen, dass deine Katze hier auf dem Flur herumläuft.«
    »Ähh, nein, das kann nicht sein. Die gehört sicher jemand anderem. Meine ist zu Hause«, sagte ich. Sicherheitshalber drehte ich mich aber um und überflog seine Lieblingsplätze im Wohnzimmer.
    »Bob. Wo bist du?«
    Er war nirgends zu sehen.
    »Also, ich bin ziemlich sicher, dass er hier draußen ist. Ein Roter, nicht wahr?«, versicherte mir der Nachbar.
    Ich trat auf den Flur hinaus und tatsächlich: Bob saß auf dem hohen Schrank, presste seinen Kopf gegen das darüber liegende Fenster und starrte auf die Straße hinunter.
    Der Mann von nebenan ging zum Aufzug, während er noch hinzufügte: »Er sitzt hier schon eine ganze Weile, er ist mir vorhin schon aufgefallen.«
    »Vielen Dank, Mann«, antwortete ich.
    »Wie bist du nur allein hier hingekommen, Bob?«, fragte ich und streckte meine Arme aus, um ihn vom Schrank zu pflücken.
    Bob sah mich an, als wäre ich die schlimmste Spaßbremse aller Zeiten. Sein Gesichtsausdruck schien zu sagen: »Warum kommst du nicht her und schaust mit mir aus dem Fenster? Es ist so spannend hier oben!«
    Belle war zu Besuch und machte sich in der Küche gerade ein Sandwich.
    »Hast du Bob rausgelassen?«, fragte ich.
    Sie sah von der Arbeitsplatte hoch und schüttelte den Kopf: »Nein.«
    »Wie ist er denn nur auf den Flur hinausgekommen?«, rätselte ich. »Er hatte sich oben auf dem Schrank versteckt.«
    »Ah, warte«, fiel mir Belle ins Wort und ihr Miene erhellte sich. »Ich war vor einer Stunde unten, um den Müll

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