Bobbie Faye: Alles wird gut (German Edition)

makellose Reinheit seiner Umgebung stand in krassem Widerspruch zu seinem Seelenzustand. Er fuhr mit den Händen durch sein kurz geschorenes Haar und fragte sich, warum um alles in der Welt er es nicht geahnt hatte? Ein schneller Blick auf die Uhr bestätigte seine Befürchtungen: Vor fünf Minuten hätten die Bomben detonieren sollen. Vor fünf ganzen Minuten. Immer noch kein GPS . Er hatte keinen Warnanruf getätigt und sich zu seiner Tat bekannt. Ohne die Computerverbindung konnte er die Bomben nicht zünden, und er wusste einfach nicht mehr weiter.
    Und die Iren reagierten nicht auf seine Anrufe. Sie hatten die Teile angekauft und es dann ihm überlassen, die Bomben zu konstruieren und einen Weg zu finden, sie in die Raffinerie zu schaffen. Er hatte sich um alles gekümmert. Die Iren verfolgten ihre eigenen Interessen, was ihn nicht störte, da sie mit seinen harmonierten: Sie wollten das Ende von Poly-Ferosia.
    Er betrachtete Chloës Urne und wünschte zum millionsten Male, er hätte sie an jenem Tag zur Arbeit gebracht. Eigentlich hätte er sie hinfahren sollen, doch er hatte eine Erkältung bekommen, und sie hatte ihn dazu überredet, zu Hause zu bleiben. Es war ihr Hochzeitstag gewesen, und sie hatten geplant, am Abend tanzen zu gehen. Sie wollte nicht, dass er dafür zu krank sein würde.
    Eine armselige Erkältung .
    Er kniff die Augen zu und musste daran denken, wie er, durch den Anruf eines Freundes alarmiert, bei ihrem zerstörten Auto angekommen war. Bei seiner Ankunft zogen sie Chloë gerade aus dem Wrack, das einst ihr Wagen gewesen war. Sie war mit Öl und Benzin verschmiert und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Er hatte sie berührt. Er hatte einen Feuerwehrmann und die Rettungssanitäter zur Seite gestoßen, in dem Bewusstsein, dass es zu spät war, und sie trotzdem berührt. Seine Hände waren mit Öl und Fett beschmiert worden, und in seine Nasenflügel hatte sich der schreckliche Geruch von verkohltem Fleisch eingebrannt. Er roch ihn noch im Schlaf – und wachte damit auf, jeden Tag.
    Ein Autounfall mit nur einem einzigen beteiligten Fahrzeug. Im Kotflügel war eine Delle gewesen, von der er sicher war, sie vorher dort noch nicht gesehen zu haben. Es klebten gelbe Farbpartikel daran, doch der Anwalt hatte argumentiert, dass die Beweise nicht ausreichten und dass die Delle auch von einem banalen Zusammenstoß auf einem Supermarktparkplatz herrühren könnte. Es war nicht genug, um zu beweisen, dass sie Opfer einer Verschwörung geworden war und jemand sie von der Straße abgedrängt hatte. Nicht genug, um diese Bastarde hinter Gitter zu bringen, diese Mistkerle von Poly-Ferosia, die genau gewusst hatten, dass Chloë im Besitz von Beweisen für deren gefährliche Missachtungen der Sicherheitsvorschriften war. Diese Missachtungen hätten Menschenleben gefährdet, wenn sie es nicht geschafft hätte, sie aufzuhalten. Sie hätten Poly-Ferosia Millionen gekostet.
    Er wollte diesen Bastarden noch mehr abknöpfen als bloß diese Millionen. Er wollte den Kampf direkt vor ihre Tür tragen. Elf verfluchte Jahre, und die Klage wegen widerrechtlicher Tötung, die er in Chloës Namen führte, steckte so tief in den Mühlen der Justiz fest, dass sich dort sicher nichts mehr bewegen würde. Er sah es und begriff es: Nichts, was er tat, war gut genug, um diese Schweine für ihren Tod dranzukriegen.
    In der Zimmerecke lief der Fernseher, doch auch dort wurde nichts erwähnt. Nur das Kasino und die Explosion in Bobbie Fayes Haus. Ihr Foto flimmerte über alle Kanäle. Eigentlich sollten es stattdessen die Bilder der explodierten Raffinerie sein.
    Er stand schon wieder vorm Waschbecken und wusch seine Hände. Er konnte sich nicht erinnern, dort hingegangen zu sein, das kochend heiße Wasser aufgedreht und die Seife mit den Scheuerpartikeln in die Hand genommen zu haben, die Seife, die so gut Öl und Ruß entfernte, die Seife, die er seit Chloës Tod schon so oft benutzt hatte …
    Er drehte das Wasser ab, nahm ein Handtuch, trocknete seine aufgesprungenen Hände ab und verfolgte dabei die Nachrichten. Sein Herz schlug auf einmal mit dreifacher Geschwindigkeit.
    Die Iren.
    Die Iren.
    Das hatte er vergessen. Wie zur Hölle konnte er das nur vergessen?
    Er glotzte auf das Fernsehbild von Bobbie Fayes brennendem Haus und wusste es. Er wusste , was sie vorhatten. Das mussten dieselben Iren sein, über die die Zeitung berichtet hatte und die es damals im Juni auf Bobbie Faye abgesehen hatten. Das alles war zwei Monate,