Boccaccio
wäre sie mir auch so lieb geworden, daß,
Andreuola und Gabriotto
ob sie gleich nicht von mir ging, sie ein goldenes Hals-
band um den Hals zu tragen schien, das ich an einer
goldenen Kette in den Händen hielt.« – In ebendersel-
ben Erzählung ist es überaus schön und rührend zu
lesen, wie ein Mädchen ihren toten Geliebten auf ein
feines Tuch aus Seide legt, ihm einen Kranz von Rosen
um die Stirne flicht und auch den ganzen Leichnam
über und über mit Rosen zudeckt.
Neben solchen Schönheiten findet man aber auch
eine Menge von merkwürdigen Schilderungen sowohl
aus der Natur, wie aus dem Leben der Menschen. Über
die Verpflichtungen und Gewohnheiten der Kaufleute
in fremden Seestädten, wie sie ihre Ware im Hafenma-
gazin unterbringen und versichern, berichtet die Ein-
leitung der Novelle von Salabaetto (achter Tag, zehnte
Novelle). In derselben Geschichte erfährt man auch ei-
niges über das Leben und Gebaren der schlauen und
betrügerischen Dirnen von Palermo. Von dem so sehr
berühmten Maler Giotto kommt eine Anekdote in der
fünen Novelle des sechsten Tages vor. Von einem
Pfleger und Kenner reiner toskanischer Weine, welche
auch heute noch so köstlich munden, hören wir am
selben Tage in der zweiten Novelle. Eine prächtige Be-
schreibung köstlicher Tafelfreuden im Freien, wobei
die nötigen Fische unter den Augen der Gäste im Gar-
tenteich von schönen Mädchen mit der Hand gefangen
werden, findet man in der sechsten Novelle des zehn-
ten Tages.
Auch von Zauber- und Schlafmitteln, Arzneien und
Kuren, sowie von Schwarzkünstlern und Taschenspie-
lern ist hier und dort die Rede, nicht weniger von Reise
und Schiffahrt, von Bettlern, von Künstlern, von Spaß-
machern und Schmarotzern bei Hofe, von Jagd und
Tanz, vom Verlieben durch Hörensagen, von Hochzei-
ten und Festen, von Richtern und Henkern. Wenn einer
über die Beschäigungen und Lebensweise der ver-
schiedensten Menschen und Stände zu jener Zeit Ge-
naues erfahren will, der wird in den sämtlichen Werken
der Gelehrten nicht so viel finden und lernen wie in
diesem Buche, welches das Treiben und Gebaren der
Menschen von damals treuer und deutlicher als ein
Spiegel vor unsre Augen stellt. Dazu gehört auch seine
Schilderung der schrecklichen Pest, welche mit Recht
als ein Meisterstück angesehen wird. Der berühmte
Herr Machiavelli, da er am Ende des zweiten Buches
seiner Istorie Fiorentine dieser Schreckenszeit gedenkt,
enthält sich einer weiteren Beschreibung und redet nur
von »der Pest, welche Messer Boccaccio mit so herr-
licher Beredsamkeit geschildert hat und durch welche
die Stadt mehr als Einwohner verlor«. Und si-
cherlich hat selten ein so entsetzliches Unglück eine so
köstliche Frucht getragen wie die große Pest von Flo-
renz, zu deren Andenken das Dekameron geschrieben
worden ist.
Nachdem wir betrachtet haben, in welcher Weise
Boccaccio von der Liebe, von der Religion, von
edlen Taten und vom täglichen Leben aller Stände re-
det, bleibt übrig, zu einem fröhlichen Schlüsse auch
noch der Schelmenstücke, Witzworte und Possen des
Zehntagebuches zu gedenken. Was diese betri, so
kann man sagen, daß in den Schwanken des Dekameron
der witzige Florentiner Geist sich selber übertroffen
habe. Denn wenn schon ohnehin die Florentiner jeder-
zeit Freunde von Schalkspossen als auch wahre Muster
im Erzählen derselben und in sonstigen Witzen gewe-
sen sind, so hat Boccaccio diese muntere Kunst wahr-
ha unübertrefflich verstanden. Unter denjenigen sei-
ner Nachfolger, welche ihm mit dem größten Glücke
nacheiferten und es ihm in manchem gleichzutun
schienen, hat kein einziger in so hohem Maße diese
Gabe besessen, komische Dinge in wenigen Worten
mit Grazie und feinem Humor vorzutragen.
Auf diesem Gebiete hat es dem Dichter gewiß noch
weniger als auf anderen an Stoff gemangelt, denn
an Witzbolden, Schelmen, Schalksnarren und ihren
Stücklein ist die Stadt Florenz schon von frühen Zeiten
her unglaublich reich gewesen, und auch jetzt noch
hört man in ganz Italien nirgends so viele drollige
oder bissige Scherzworte, Schimpfnamen, Spottreden
und Wortspiele wie in Florenz, und es ist gut, daß die
Fremden sie nicht alle verstehen. Von zahllosen Beam-
ten, Malern, Gelehrten, Baumeistern, Goldschmieden,
Bildhauern und andern hochberühmten Florentinern
sind uns aus allen
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