Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boccaccio

Boccaccio

Titel: Boccaccio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
wäre sie mir auch so lieb geworden, daß,
    

    Andreuola und Gabriotto
    ob sie gleich nicht von mir ging, sie ein goldenes Hals-
    band um den Hals zu tragen schien, das ich an einer
    goldenen Kette in den Händen hielt.« – In ebendersel-
    ben Erzählung ist es überaus schön und rührend zu
    lesen, wie ein Mädchen ihren toten Geliebten auf ein
    feines Tuch aus Seide legt, ihm einen Kranz von Rosen
    um die Stirne flicht und auch den ganzen Leichnam
    über und über mit Rosen zudeckt.
    Neben solchen Schönheiten findet man aber auch
    eine Menge von merkwürdigen Schilderungen sowohl
    aus der Natur, wie aus dem Leben der Menschen. Über
    die Verpflichtungen und Gewohnheiten der Kaufleute
    in fremden Seestädten, wie sie ihre Ware im Hafenma-
    
    gazin unterbringen und versichern, berichtet die Ein-
    leitung der Novelle von Salabaetto (achter Tag, zehnte
    Novelle). In derselben Geschichte erfährt man auch ei-
    niges über das Leben und Gebaren der schlauen und
    betrügerischen Dirnen von Palermo. Von dem so sehr
    berühmten Maler Giotto kommt eine Anekdote in der
    fünen Novelle des sechsten Tages vor. Von einem
    Pfleger und Kenner reiner toskanischer Weine, welche
    auch heute noch so köstlich munden, hören wir am
    selben Tage in der zweiten Novelle. Eine prächtige Be-
    schreibung köstlicher Tafelfreuden im Freien, wobei
    die nötigen Fische unter den Augen der Gäste im Gar-
    tenteich von schönen Mädchen mit der Hand gefangen
    werden, findet man in der sechsten Novelle des zehn-
    ten Tages.
    Auch von Zauber- und Schlafmitteln, Arzneien und
    Kuren, sowie von Schwarzkünstlern und Taschenspie-
    lern ist hier und dort die Rede, nicht weniger von Reise
    und Schiffahrt, von Bettlern, von Künstlern, von Spaß-
    machern und Schmarotzern bei Hofe, von Jagd und
    Tanz, vom Verlieben durch Hörensagen, von Hochzei-
    ten und Festen, von Richtern und Henkern. Wenn einer
    über die Beschäigungen und Lebensweise der ver-
    schiedensten Menschen und Stände zu jener Zeit Ge-
    naues erfahren will, der wird in den sämtlichen Werken
    der Gelehrten nicht so viel finden und lernen wie in
    diesem Buche, welches das Treiben und Gebaren der
    Menschen von damals treuer und deutlicher als ein
    Spiegel vor unsre Augen stellt. Dazu gehört auch seine
    
    Schilderung der schrecklichen Pest, welche mit Recht
    als ein Meisterstück angesehen wird. Der berühmte
    Herr Machiavelli, da er am Ende des zweiten Buches
    seiner Istorie Fiorentine dieser Schreckenszeit gedenkt,
    enthält sich einer weiteren Beschreibung und redet nur
    von »der Pest, welche Messer Boccaccio mit so herr-
    licher Beredsamkeit geschildert hat und durch welche
    die Stadt mehr als   Einwohner verlor«. Und si-
    cherlich hat selten ein so entsetzliches Unglück eine so
    köstliche Frucht getragen wie die große Pest von Flo-
    renz, zu deren Andenken das Dekameron geschrieben
    worden ist.
    
    Nachdem wir betrachtet haben, in welcher Weise
    Boccaccio von der Liebe, von der Religion, von
    edlen Taten und vom täglichen Leben aller Stände re-
    det, bleibt übrig, zu einem fröhlichen Schlüsse auch
    noch der Schelmenstücke, Witzworte und Possen des
    Zehntagebuches zu gedenken. Was diese betri, so
    kann man sagen, daß in den Schwanken des Dekameron
    der witzige Florentiner Geist sich selber übertroffen
    habe. Denn wenn schon ohnehin die Florentiner jeder-
    zeit Freunde von Schalkspossen als auch wahre Muster
    im Erzählen derselben und in sonstigen Witzen gewe-
    sen sind, so hat Boccaccio diese muntere Kunst wahr-
    ha unübertrefflich verstanden. Unter denjenigen sei-
    ner Nachfolger, welche ihm mit dem größten Glücke
    nacheiferten und es ihm in manchem gleichzutun
    schienen, hat kein einziger in so hohem Maße diese
    Gabe besessen, komische Dinge in wenigen Worten
    mit Grazie und feinem Humor vorzutragen.
    Auf diesem Gebiete hat es dem Dichter gewiß noch
    weniger als auf anderen an Stoff gemangelt, denn
    an Witzbolden, Schelmen, Schalksnarren und ihren
    Stücklein ist die Stadt Florenz schon von frühen Zeiten
    her unglaublich reich gewesen, und auch jetzt noch
    hört man in ganz Italien nirgends so viele drollige
    oder bissige Scherzworte, Schimpfnamen, Spottreden
    und Wortspiele wie in Florenz, und es ist gut, daß die
    Fremden sie nicht alle verstehen. Von zahllosen Beam-
    ten, Malern, Gelehrten, Baumeistern, Goldschmieden,
    Bildhauern und andern hochberühmten Florentinern
    
    sind uns aus allen

Weitere Kostenlose Bücher