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Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Schenk
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teilte sich ein Büro mit Andreas, und die letzten Tage waren unerträglich gewesen. Er kam ihr stets zu nah und erklärte halb drohend, halb belustigt, er würde ihr gern eine zweite Chance geben, und dabei presste er seinen Bauch an ihren, sodass sie seinen Mundgeruch einatmen musste, das Pulsieren seines Schwanzes spürte. Er erinnerte sie zornig daran, er habe es ihr gut besorgt, also was solle diese neue Kälte bedeuten? So sei sie also, die Hoffmann, eine, die Männer anköderte, Kollegen nach Laune benutzte, und dann? Tschüss, das war’s, guter Mann! Ob sie es vielleicht lieber mit Weibern trieb? Ich bin liberal, meine kleine Lili, sag es doch offen, Mädchen, wie schlaff du da neulich gelegen bist, entweder bist du frigide oder – und das würde mich nicht wundern –, ja, bist wahrscheinlich eine Lesbe, nee, nichts dagegen, im Gegenteil! Er wandte den Kopf und sah sie von unten an, völlig verdreht: Ob er einmal zugucken dürfe, nur so als guter Kumpel, es sei sicher super geil und gern würde er dabei wichsen. Und sein Lachen, als sie ihm eine scheuerte. Und wenn sie zu zweit im Auto saßen, die ständigen idiotischen Andeutungen, das Drängen und Anfassen, ihre Angst. Sie hatte ihm gestern gedroht, ihn anzuzeigen. Nein, sie sei nicht lesbisch, und wenn es auch so wäre, sei Homosexualität kein Delikt, wohl aber Mobbing und sexuelle Belästigung, bald könne er seiner Karriere Adieu sagen, wenn sie zu Oberkommissar Christoph Angler gehe und ihn denunziere. Dann war er allein mit Jurek und einer anderen Kollegin gefahren. Vom Fenster aus sah sie, wie sie schäkernd in den Wagen einstiegen.
    Und heute Morgen war es im Präsidium passiert: Das Büro war leer, sie war ganz allein, Andreas und Jurek unterwegs. Sie hatte ihren Geburtstag verschwiegen, achtundzwanzig Jahre alt war sie geworden, und – sieh mal da – sie fand ein Geschenk und eine Karte auf ihrem Schreibtisch. Nicht zu fassen. Sie hatte ihre kleine Geschichte mit Andreas so dramatisiert, sich selbst wieder als Opfer hochstilisiert, und jetzt musste sie einsehen, dass er doch kein so schlechter Kerl war, ein bisschen primitiv, ein Macho, aber nicht sooo böse, harte Schale, weiches Herz, nur verletzt wegen ihres abweisenden Benehmens, oder hatte vielleicht ihre Drohung gewirkt? Er hatte endlich eingesehen, dass es so nicht weitergehen konnte. Fiebrig öffnete sie den Umschlag, erwartungsfroh und schon dankbar, schaute sich zuerst die Karte an, und Gott, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, diese billige Karte mit den in bunte Bänder eingerollten Sektgläsern war aber von einigen Kollegen unterzeichnet, junge Inspektoren wie sie, und von Hauptkommissar Christoph Angler – so was Nettes! Keiner hier hatte es leicht, mit der Menge an Überstunden, den bescheidenen Gehältern, den privaten Sorgen, gerade Andreas hatte vor Kurzem seine krebskranke Mutter verloren, und sie wusste außerdem, dass seine Partnerin aus welchen Gründen auch immer ihn vor einiger Zeit verlassen hatte, also selbst ihm sollte man die Verfehlungen verzeihen, die Machoallüren, und schließlich war sie ja selbst schuld, ihm neulich nachgegeben zu haben, auch wenn es nur ein Mal, ein einziges verdammtes Mal gewesen war, um sich selbst zu testen, um … und jetzt zerknüllte sie fröhlich das Geschenkpapier und fasste eine glänzende schwarz-rosa Schachtel an und hatte immer noch keine Vermutung, was es sein könnte, tippte wohl auf Creme oder Parfum oder hübsches Zubehör für die Badewanne. Und sogar als sie das Tesafilmstückchen des Kartondeckels löste, verschloss sich ihr Geist der offensichtlichen Funktion des länglichen, dicklichen Gegenstands, der pink und schwarz in der Stoffmulde des Kartons ruhte, weigerten sich Kopf und Augen das Ding zu erkennen, sie sah einen eigenartigen Föhn, ein komisches Epiliergerät, einen Küchenstab, nee, einen Massagestab, ein … Erst nach Sekunden konnte sie nicht mehr verdrängen, was das Schwein ihr geschenkt hatte. Ihr Herz schlug wild, sie wurde knallrot, spürte Atemnot, als sie ein ersticktes Lachen hinter der Wand wahrnahm. Der Druck auf der Brust nahm zu, sie glaubte zu ersticken und musste sich hinsetzen. Sie würde gleich laut schreien, ein Schreien wie man es an diesem Ort, wo seit über sechzig Jahren nicht mehr gefoltert worden war, noch nie gehört hatte, als sie wiederholt

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