Bodin Lacht
Lilichen, sagt er, nichts geht über Ficken.
FELD 12: DAS SCHWARZE UNTERKLEID
Sucht Wörter, die sich in »Unterkleid« verstecken:
Leid, Eier, Diele, Rute, Luder, Tür, Kerl, krude, Lied, Riten, Uni, Kreide, Klei, Klee
Der blaue Himmel hatte sich inzwischen zugezogen: Ein schwarz gekleisterter Horizont lieà ein Gewitter befürchten. Die Menschen beeilten sich, ihr Ziel zu erreichen. Das Wohnhaus war ein abbruchreifes Gebäude: Umgeben von nagelneu renovierten Häusern war es vergessen worden, und jetzt stand es wie ein fauler Zahn inmitten eines weiÃen Gebisses. Ein Zeitungsbote hielt ihm die Tür auf, als er hinausging. Er hatte eine dicke Packung Gratiszeitungen vor die Treppe geschmissen. Beim Anblick dieser Diele â die Prospekte überall, die verbeulten Briefkästen und der schmutzige Boden â hätte man die Flucht ergreifen können. Evelyn Gorda und Alina Garetta wohnten auf der dritten Etage. Er klingelte, und unmittelbar danach wurde die Tür mit Schwung geöffnet. Eine junge Frau starrte ihn mit dunklen Augen an. Sie trug ein schwarzes Unterkleid â die waren jetzt wieder Mode â und schreckte zurück. Bei seinem einzigen Besuch bei Evelyn war sie nicht da gewesen. Sie schaute ihn perplex an. Die Leute, die ihn zum ersten Mal erblickten, versuchten meistens ihre Neugier oder Verwirrung zu verbergen, sie nicht. Er stellte sich als Martin Vanderbeke, Klavierschüler und gute Freund von Evelyn, vor und bat sie um einige Minuten Zeit. Ach, sagte sie, ich dachte, es wäre Mathilde, eine Freundin. Sie lieà ihn herein und streifte einen Mantel über, den sie beim Vorbeigehen an der Garderobe abpflückte. Martin sagte, dass er den Mord nicht fassen könne, und sie fiel ihm sofort ins Wort, niemand könne so etwas fassen, sie klopfte sich genervt an die Stirn, so ein Ding, bei mir kommtâs einfach nicht rein. Er fragte, ob sie von der Kripo mehr erfahren habe, aber nein, es sei zu früh, zwei Polizisten seien gestern gekommen, um sie zu benachrichtigen, und hätten Evelyns Zimmer auf den Kopf gestellt, ihre Partituren durchgewühlt, ihre Bücher, ihren Terminkalender, ihren Laptop und ihre Post mitgenommen, das Ãbliche, wie du dir denken kannst. Alina schien einige Jahre jünger zu sein als Evelyn, sie schaute ihn jetzt genauer an, schien ihn als harmlos einzustufen und öffnete die Tür des spärlich eingerichteten Wohnzimmers. Er hätte auch gern einen Blick ins Evelyns Zimmer geworfen, traute sich aber nicht, danach zu fragen. Willst du etwas trinken? Alina hatte einen leichten schwäbischen Akzent und ihre Stimme klang ein bisschen diffus, sie artikulierte nicht sehr gut. Er fragte sich, was jemand wie Evelyn an diesem Mädchen gefunden hatte und warum sie mit ihr eine Wohnung geteilt hatte. Alina erzählte, sie studiere Querflöte und sie hätten ab und zu zusammen gespielt. Es sei immer schön gewesen. Auch ein Konzert sei geplant gewesen, nur sie beide, Evelyn und sie, aber es habe sich doch nicht ergeben. Alinas Stimme klang weinerlich, und jetzt weinte sie auch richtig, sie schluchzte sogar, und Martin wusste nicht, ob und wie er sie trösten sollte. Sie öffnete ihren Mantel, zeigte auf das schwarze Unterkleid. Das habe ich von ihr, schluchzte sie, glaube nicht, das habe ich ihr geklaut, sie hat es mir geschenkt. Und Martin nahm sie jetzt in die Arme, fühlte sich nicht wohl mit dem mageren Körper, der in seinen Armen zitterte, der schniefenden Nase an seiner Schulter. Evelyn habe viel gearbeitet, sagte Alina, täglich geübt, Stunden gegeben, ihr ganzes Leben habe sich um ihre Arbeit gedreht und sie habe nur eine Handvoll Bekannte gehabt, Musikfreaks eben, ehemalige Studenten der Musikhochschule, eine alte Schulfreundin, aber keinen engen Freund. Sie sei wählerisch gewesen, oder sie habe Männer satt gehabt, Enttäuschungen und so, sie habe über ihr Privatleben geschwiegen, sei ziemlich verschlossen und abends selten zu Hause gewesen. Er drängte Alina Garetta, ihm mehr zu erzählen, aber sie schnitt nun ohnmächtige Grimassen: Ach Gott, was soll ich dir groà erzählen? Sie war total normal, aà am liebsten Quark mit Schnittlauch und Ofenkartoffel, kleidete sich hübsch, sogar elegant, mochte schöne Sachen, war aber nicht extravagant, gab sich keinen künstlerischen Touch, kam aus einer stinknormalen Familie, ihre Eltern werden übrigens heute Abend hier
Weitere Kostenlose Bücher