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Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Schenk
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2001, antwortete Simone, das mich nicht so sehr spaltet wie Alice Schwarzer, jedoch in mir viele Fragen aufwirft. Ein sehr interessantes Thema, das mehr mit Wirtschaftsrecht zu tun hat, als ich vorher annahm. Dadurch frage ich mich, ob ich nicht umsatteln sollte. Umsatteln? Da Simone sehr sorgfältig die Fensterscheiben mit Essig polierte (das Mädchen sah dabei eher wie eine Künstlerin aus, die Kreise, Spiralen oder Wellen im großen Stil zeichnen wollte und nur nebelige Grafiken hinterließ), konnte sie Paulas perplexe, vielleicht sogar besorgte Miene nicht erblicken. Diese ging zu ihrem Heft und schrieb: Wenn ich mich auf diesem Papier erblicke beziehungsweise mich derart umstülpe, dass mein gepudertes Äußere nicht mehr sichtbar ist, sondern mein Inneres (wie beim Metzger die Innereien) ausgestellt ist, ängstige ich mich. Ob es nicht besser wäre, an der Oberfläche zu bleiben? Bin schließlich kein Brunnen. Wenn aber die Welt mich mit ihren Zeichen schwängert, muss ich diese Zeichen schon herauspressen.
    Sie ließ Platz übrig für Martin. In der »Partitur der Simone« schrieb sie vom »Umsatteln« und dass sie das Gefühl hatte, sie müsse nachhaken und auf Simone aufpassen. Oder lieber nicht. Oder doch.

FELD 37: ROTE LAMPENSCHIRMCHEN
    Tests von Forschern der Uni Rochester haben gezeigt, dass Rot an Frauen auf Männer eine starke Signalwirkung hat. Unsere Verwandten aus dem Tierreich verfahren ähnlich. Pavian- und Schimpansendamen beispielsweise erröten verschwörerisch am Po, wenn sie sich dem Eisprung nähern, und die Männchen lassen sich nicht lange bitten.
    F OCUS O NLINE, 28.10.2008
    Sie würde ihn erkennen, hatte Martin behauptet. Von den zu Schießscharten verkniffenen Augen hatte er erzählt, vom Äthergeruch, von der altmodischen, öligen Frisur, von den kräftigen Schultern, dem froschartigen Gesicht. Er nenne sich Franz. Eine raue Stimme.
    Liliane hatte fünf Abende in dieser wenig frequentierten, der Pleite geweihten Bar verbracht, deren verchromte Theken, rötliche Tapeten, kleine Tische mit roten Lampenschirmchen zur Grundausstattung eines Schmierentheaters zu gehören schienen, und diesen Franz nicht erblickt. Sie hatte mehrfach ihren Cuba Libre in der Gesellschaft von Typen getrunken, die sie alle langweilten oder anekelten und die sie schnell in Ruhe ließen, als sie ihre miese Laune spürten. Sie wolle sich einen hinter die Binde gießen, mehr nicht, sagte sie einem. Mehr nicht? Sie zogen sich zurück, verächtlich. Vielleicht witterten sie in dieser burschikosen Frau auch die Schnüfflerin. Einem naiven Schnösel entsprang die Frage: Aber was machst du denn hier, wenn du nichts von mir haben willst? Sie lachte: Hältst dich wohl für den Nabel der Welt. Und er: Was suchst du dann? Eine Frau? Genau, bellte sie knapp und reagierte nicht, als der Typ boshaft auflachte: Eine wie du kann man nur versetzen. Sie verbrachte ihre Zeit damit, das Geschehene Revue passieren zu lassen, sauer, dass Andreas ihr nicht helfen wollte, und doch erleichtert, dass sie jetzt nicht gezwungen war, in seiner Gesellschaft ihr Glas zu leeren und Small Talk zu erzwingen, er würde die Anwesenheit der anderen Personen ausnutzen, die Not des Schauspiels ausbeuten, in dem sie beide gefangen wären, seine Annäherungsversuche unverschämt vor allen fortsetzen. Bei dieser Fantasie spürte sie, wie Ekel sie wieder würgte, Ekel und Scham. Sie nippte an ihrem Glas, mehr als zwei pro Abend wollte sie sich nicht leisten, erstens war’s zu teuer, zweitens musste sie hundertprozentig klar denken. Sie erdichtete für den Fall, Franz Dingsbums träte wirklich in die Bar ein, mehrere Varianten ihres Zusammenpralls, stieß aber immer wieder auf das für sie einzig praktikable Szenario: Direkt als Kriminalbeamtin in Erscheinung zu treten und um seine Personalien zu bitten, ihn einschüchtern, bluffen: Man habe ihn vor Kurzem mit Evelyn Gorda gesehen, vielleicht könne er sich denken, wo das gewesen war, und wann. Schwieriger wäre es, ihm anonym zu begegnen, zu versuchen, ihm näherzukommen. Seine Wohnung zu betreten, in seinem Leben zu schnüffeln, nach Indizien zu suchen, das alles zu bewerkstelligen, was einen besseren Fernsehkrimi ausmachen würde, das lag ihr nicht, sie war keine Abenteurerin, nicht listig genug, hatte dafür keine Lust, keine Nerven. Angst vielleicht auch. Angst und Ekel.

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