Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Schenk
Vom Netzwerk:
Droemer, Privatpatientin. Ich habe Bodin vertraut, er konnte gut zuhören, drängte mich nicht. Gut zuhören?, rief Martin aus und machte, angesichts von Lilianes erstaunter Miene, schnell wieder den Mund zu. Erzähl weiter. Ja, er war sehr einfühlsam, versuchte alles Mögliche, um mir wieder ein wenig Vertrauen in mich selbst zurückzugeben. Aber dann habe ich genau zwei Jahre nach der Vergewaltigung einen neuen Selbstmordversuch mit den falschen Tabletten gemacht, und er hat eingesehen, dass seine Therapie für die Katz war.
    Liliane trank einen Schluck Kaffee und sprach weiter mit erloschener Stimme: Sie habe seitdem nie mehr versucht, sich umzubringen, und wolle es auch nie mehr tun, jedes Jahr aber trauere sie am Tag des Verbrechens wie an einem Todestag. Schon eine Zeit vorher spüre sie körperlich, wie sich der Tag nähere und sie erdrücken werde. Sie nehme Urlaub und laufe – Bodins Therapie –, laufe dreißig Kilometer, bis sie den Schmerz, die Schande ausgeschwitzt habe.
    Hat dich Bodin dann fallen lassen?, fragte Martin. Nein!, schrie Liliane, ganz im Gegenteil, Bodin hat mich gerettet. Er hat mich überzeugt, für mehrere Monate zu verreisen. Ich sollte in den Alpen wandern, ein Frühjahr und einen Sommer lang, erst bei dem ersten Schnee zurückkommen. Falls ich immer noch sterben wollte, würde er mir die nötigen Medikamente besorgen. Er würde dir …? Martins Stimme überschlug sich vor lauter Empörung. Einzige Bedingung, setzte Liliane fort, ich sollte mich fairerweise nicht zwischendurch in einen Abgrund stürzen. Stell dir vor: Er hat sogar alles finanziert, der Therapeut ist zum Sponsor meiner Wanderung und meiner Gesundheit geworden.
    Martin öffnete wieder verblüfft den Mund. Der Typ war schon immer verrückt, sagte er. Wann war das?
    Vor acht Jahren. Ich habe mich an die Abmachung gehalten. Bin ungefähr sechs Monate lang in den Bergen gekraxelt; der Anfang war schwierig, aber weniger schlimm als ich dachte. Es war eine Befreiung aus dieser Stadt, diesen Straßen, dem Blick der Familie, der Bekannten zu entfliehen. Mir gefiel die Einsamkeit, die zufälligen Gespräche mit fremden Wanderern in Hütten oder Jugendherbergen belasteten mich nicht, es ging um Landschaften, um Meteorologie, um Ausrüstung, die Erschöpfung am Abend brachte mich nach wenigen Wochen endlich wieder zum Durchschlafen, auch die Überwindung der Angst auf steilen Felsen war heilsam, oder wenn ich fürchtete, mich verirrt zu haben, in den Bergen ohne Unterkunft übernachten zu müssen, und meinen Weg doch zurückfand – ich habe sogar tatsächlich ein paar Mal im Hochsommer im Freien übernachtet und mich wohl und auch angstfrei gefühlt. Im Herbst ist langsam die Idee gereift, zurückzukommen und mich bei der Polizeischule in Bielefeld zu bewerben. Ich war vor allem dadurch motiviert, Kriminellen wie Robin das Handwerk zu legen. Ich habe noch in Zürich einige Monate jobben müssen, bis ich in Bielefeld meine Ausbildung anfangen durfte. Ich wollte aber die Menschen nicht treffen, die meine Geschichte kannten oder ahnten, auch Bodin nicht, vor allem Bodin, und habe nur meiner Familie Bescheid gesagt.
    War Bodin in dich verliebt?
    Ich hatte den Eindruck, er sei nicht nur als Therapeut hinter mir her, sondern, ja, als verliebter Mann. Ich aber war unfähig – auch nach meiner Wanderung in den Bergen – irgendeine Beziehung zu einem Mann, auch zu einem guten Menschen wie ihm, anzufangen. Ich habe ihm aus irgendeinem Schweizer Ferienort eine letzte Karte geschickt: Christine Droemer bedankte sich, sie blieb in der Schweiz, irgendwo in einem tiefen Tal, da sie sich in einen Bergführer verliebt habe und ihr Leben da weiterführen wollte.
    Und du hast ihn nie wieder gesehen?
    Bodin? Nein. Nach der Ausbildung und einigen Jahren Dienst in Bielefeld habe ich mich hierher in das Kriminalkommissariat versetzen lassen, weil die Tante, die mir damals geholfen hatte, schwer krank geworden war, und ich wollte in ihrer Nähe sein. Ich dachte, inzwischen psychisch stabil zu sein.
    Liliane schüttelte den Kopf. Bin ich auch einigermaßen. Meine Tante ist inzwischen gestorben. Vielleicht lasse ich mich wieder woandershin versetzen.
    Und im Hinterkopf fahndest du die ganze Zeit nach Robin und den zwei anderen.
    Liliane lachte kurz und freudlos: Ja, bei jeder Vergewaltigung, und auch jetzt bei Evelyn, habe ich mir gut

Weitere Kostenlose Bücher