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Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Schenk
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vorstellen können, wie ich ihm die Handschellen anlege.
    Und du bist auch hier Bodin nie begegnet.
    Nein. Nie mehr. Aber ich glaube, irgendwann hätte ich ihn aufgesucht. Ich meine, jetzt so weit zu sein. Deine Mutter sagte mir, er sei pensioniert und zurzeit in Urlaub?
    In der Schweiz. Ob er dich dort sucht? Oder wie erklärst du, dass er deine Akte als einzige behalten hat?

FELD 57: ENTKNOTEN EINES PANIKKNOTENS
    Geduld und Pfiff zum letzten Knoten! Gewöhnlich geht’s am Ende scharf!
    J OHANN W OLFGANG VON G OETHE
    Wie ein Anbindeknoten, auch »Panikknoten« genannt, ganz leicht durch einen Zug am freien Ende aufgeht, so wurde der Fall Evelyn Gorda auf einmal gelöst. Andreas und Christoph Angler, dessen Foto Paula in der Lokalzeitung entgegensprang, hatten schnell, effizient, wenn auch ein bisschen spät, gearbeitet, und es hatte nicht einmal vierundzwanzig Stunden gedauert, bis Franz Sittig verhaftet und vorläufig entlassen wurde, nachdem er den sehr überzeugenden Ermittlern die erwünschten Informationen preisgegeben hatte. Es stimmte, dass er als »Lotse« arbeitete, und zu knappgehaltene Studentinnen, gelangweilte und hübsche kleine Angestellte oder am Hungertuch nagende Künstlerinnen zu einer diskreten »Künstleragentur« ohne offizielle Adresse führte: Dank einer Mund-zu-Mund-Werbung standen die betuchten Anwärter Schlange, die nach einem repräsentativen Callgirl und einem erquicklichen Hotelabend gierten. Evelyn hatte Pech gehabt: Sie wurde an Herrn K., einen angeblichen Maler vermittelt, im naiven Glauben, für seine Aktbilder nur Modell stehen zu müssen. Andreas und sein Team trafen Herrn K. in seinem schicken Salon, wo sich in der Tat eine Staffelei mit leerer Leinwand und eine Couch im Empirestil befanden. Andreas konnte sich gut vorstellen, wie Evelyn auf dieser Couch zuerst so gut wie nackt und schließlich ganz nackt verschiedene Posen einnehmen sollte. Herr K., der falsche Maler, der höchstens ein paar grottenschlechte Schinken und einen klischeehaften Künstlerlook vorzeigen konnte, Bärtchen und schwarze Klamotten, riesige Pranken, die zu einem Steinmetz zu gehören schienen, durfte seinen schicken Mantel und seinen roten Schal anziehen, bevor er abgeführt und von Alina wie von Thomas Wildenhain identifiziert wurde. Er entpuppte sich als perverser Neurotiker in den Fünfzigern, der sich nicht damit begnügte, Evelyn für ein paar sexuelle Dienstleistungen sehr großzügig zu bezahlen, sondern leider in einer fanatischen Leidenschaft entbrannte, die ihn nicht mehr losließ. Andreas befragte ihn mit einer Verbissenheit, die viel über seinen eigenen beruflichen und sexuellen Frust der letzten Woche aussagte. Der Polizist musste sich sehr zusammennehmen, um die harmonischen Gesichtszüge von Herrn K. nicht zu blutigem Brei zu schlagen. Ja, gab Herr K. gern zu, ja, Misshandlungen brachten seinen Genuss zur Ekstase, ja, ja, er brauchte das (er erging sich in abscheulichen Einzelheiten, in der Hoffnung, als unzurechnungsfähig zu gelten). Leider, als Evelyn, reicher geworden – eine Stunde bei Herrn K. brachte zwanzig bis fünfzig Mal mehr ein als eine Klavierstunde bei der großzügigen Paula Vanderbeke –, von ihm und sich selbst angeekelt beschloss, nach Berlin umzuziehen, um seinen abartigen Händen zu entfliehen und mit neuem Elan und frischem Geld an ihre Karriere heranzugehen, erpresste er sie mit ihrem beschämenden Geheimnis: Er würde ihre Prostitution öffentlich bekannt machen. Herr K. behauptete auch, dass Evelyn lange Zeit freiwillig und gern mitgemacht habe, dass sogar das Erwürgen am See zu den Spielchen gehörte, die beide eine Zeit lang ergötzten. Die Pianistin würde es nie mehr bestätigen können, Paula glaubte es aber nicht, Martin glaubte es nicht, Liliane (die vergeblich gehofft hatte, einen ihrer jugendlichen Peiniger in Herrn K. zu erkennen) glaubte es nicht, Simone glaubte es nicht, die Hälfte der Stadt glaubte es nicht, die andere Hälfte, darunter Tobias Wildenhain, dachte oder sagte: Kein Rauch ohne Feuer. Jeder konnte sich im Grunde seine eigene Geschichte über das Schicksal und die Person der Evelyn Gorda zusammenreimen. Jetzt hatte sich Paula an das Wort Erpressung erinnert, ja, Evelyn hatte von Erpressung gesprochen, Paula hatte das nicht wörtlich genommen, viele Liebende erpressen das Objekt ihrer Begierde mit

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