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Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Titel: Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brühwiler
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Wartenden nicht angeschrieben ist, stelle ich mich der Einfachheit halber in die kürzere. Natürlich die falsche. Also nochmals anstehen. Im Fernseher an der Wand läuft tonlos eine offensichtlich lokale Soap-Opera, in der ein paar dickliche junge einheimische Damen mit fülligen Haarteilen wild gestikulierend und stürmisch aufeinander einreden. Ich starre fasziniert, doch als nach 15 Minuten immer noch keine weitere action erfolgt, wird es doch langweilig, so ohne Ton. Endlich bin ich an der Reihe und werde von einem jungen Mann mit Bockbärtchen empfangen. Leider stellt sich heraus, dass er sich einer Neueröffnung nicht gewachsen fühlt. Ich muss warten, bis seine Kollegin, eine Dame mit spitzer Brille und augenschädigend grüner Bluse, ihre Kundin abgefertigt hat. Endlich kann sie sich mir widmen. Nach kurzer Diskussion in einer lokalen und daher für mich unverständlichen Sprache fördert Bockbärtchen ein Formular aus den Tiefen seines Schreibtisches zu Tage und es kann losgehen. Ich muss meine Personalien angeben, inklusive meiner Schuhgrösse, den Namen meiner Urgrosseltern und der Telefonnummer meiner Eltern zu meiner Geburtszeit. Und meinen Pass vorweisen. Leider habe ich den nicht mitgenommen, wofür ich einen sehr vorwurfsvollen Blick der grün gekleideten Dame erhalte samt dem Bescheid, gefälligst nicht ohne Pass nochmals vorzusprechen.
    Am nächsten Tag sitze ich kurz nach der Öffnung des Geschäfts schon vor dem nächsten Berater. Diesmal habe ich unsere sämtlichen Pässe, die Geburtsscheine unserer Kinder, Lukas' und meinen Pen-sionsausweis, unsere Arbeitszeugnisse und sonst noch ein paar zweitrangige offizielle Dokumente dabei. Und ich werde sie praktisch alle brauchen. Mein heutiger Berater, ein rund Dreissigjähriger ohne besonderes Merkmal, erklärt nach Abwägen unserer sämtlichen Umstände, dass er die Telefonlinie höchstens auf den Namen meines Mannes eröffnen kann, weil nur Lukas es geschafft hat, auch ein Bankkonto in Südafrika zu ergattern – ein Privileg, das mir bis jetzt verschlossen blieb. Als er Lukas' ganze mir bekannte Lebensgeschichte in einem Formular festgehalten und Kopien von sämtlichen
Dokumenten erstellt hat, braucht mein Telkom-Berater nur noch Lukas' Unterschrift. Wie beim Leiter-Spiel: Zurück zum Start.
    Mein dritter Besuch ist kurz, aber aufschlussreich: Ich liefere die unterschriebenen Formulare ab und kriege den Bescheid, dass uns in sechs Wochen ein Telkom-Monteur besuchen und die Telefonleitung öffnen wird.
    „In sechs Tagen?“
    „ No , Madam , in sechs Wochen.“
    „Sechs Wochen! Weshalb dauert das so lange? Muss eine Telefonleitung zum Haus verlegt werden?“
    „ No, Madam , nur die Telefonbuchsen müssen aktiviert werden. Normalerweise wird das innert sieben bis vierzehn Tagen erledigt. Aber seit Mittwoch sind die Monteure im Streik.“
    Prima. Hätte ich meine Telefonleitung schon beim ersten Mal beantragen dürfen, dann hätten wir es noch vor dem Streik geschafft.
    Gut unterrichtete Quellen haben uns berichtet, dass es rund drei Monate dauert, bis man in diesem Land eine ADSL-Leitung erhält. Also nehme ich die Internet-Unterlagen mit, damit Lukas sie studieren und wir die ADSL-Leitung so rasch als möglich beantragen können.
    Das bedeutet, dass ich zwei Tage später wieder im Telkom-Shop bin, zum vierten Besuch. Aber heute lerne ich Derek kennen.
    Schon in den ersten Minuten spüre ich, dass Derek anders ist als seine Vorgänger. Zuerst kann ich das Gefühl nicht einordnen. Augenscheinlich ist Derek weiss, als einziger im Geschäft, und er ist sehr warm angezogen. Aber das kann es nicht sein. Ich grüble. Was macht ihn bloss so besonders? Erst nach ein paar Minuten fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Derek bemüht sich! Er will mir helfen! Er hört zu, denkt mit und wickelt nicht einfach gelangweilt „ business as usual – und das interessiert mich so was von nicht“ ab.
    Von da an klappt es. Zwar können wir die Verzögerung wegen des Streiks nicht mehr aufholen, aber Derek schafft es tatsächlich, dass wir schon zwei Wochen nach dem Telefonanschluss auch mit ADSL gesegnet sind. Die kabellose Verbindung klappt nicht beim ersten Mal, aber da meckere ich nicht, sondern besuche einfach meinen neuen Freund. Und flugs kriege ich Besuch von einem anderen Telkom -Monteur, der auch das geradebiegen kann.
    Und so sind wir schon nach drei Monaten in Südafrika und nach dem Kennenlernen der halben Belegschaft unseres Telkom-Shops wieder

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