Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
dafür gängige Ausdruck, der von allen verstanden und in fast jeder Lebenslage gebraucht wird.
Auch bei „exotischeren“ Problemen wie zum Beispiel Treibstoffknappheit. In Malawi, einem Land nord-östlich von Südafrika, baute KehlTech eine neue Anlage. Das Steuerungssystem hätte Anfang März mit South African Airlines nach Malawi geflogen werden sollen. Doch der Flug wurde abgesagt, weil zum geplanten Zeitpunkt im Zielland eine Benzinknappheit herrschte. South African Airlines befürchtete, dass ihr Flugzeug in Malawi nicht auftanken und somit für unbestimmte Zeit am Boden festsitzen würde. Der KehlTech-Kunde in Malawi fluchte und zeterte, die KehlTech-Monteure vor Ort riefen konsterniert an, weil sie mit ihrer Arbeit nicht mehr weiterfahren konnten. Krisenstimmung allerorten. Nichtstun kostete Geld, weil die Arbeiter nicht beschäftigt waren und dennoch bezahlt werden mussten. Eine neue Lösung kostete ebenfalls Geld – was war einfacher und billiger? Verschiedene Lösungen wurden eiligst beraten und verworfen, und nach längerem Hin und Her fand man einen Piloten, der den Flug nach Malawi wagte, und mit einer gecharterten Cessna konnte die elektronische Steuerung sicher ins Bestimmungsland geliefert werden.
Doch Lukas' Arbeit brachte nicht nur unangenehme, sondern manchmal auch amüsante Überraschungen mit sich. Eine seiner ersten Reisen zu Kunden zum Beispiel führte ihn nach Madagaskar, wo KehlTech nun eine grosse Anlage zur Nahrungsherstellung baut. Der Auftraggeber des Projekts ist der madagassische Präsident, der vor seiner Wahl ein ausserordentlich erfolgreicher Geschäftsmann war. Er hat einen eigenen Nahrungsmittelkonzern aufgebaut. Nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten hat er die Firma seiner Frau und seinen Kindern überschrieben, doch es ist unübersehbar, dass er nach wie vor die Fäden zieht im Geschäft, was beispielsweise durch sein Engagement für die neue Anlage deutlich wird. Für den Flug von der madagassischen Hauptstadt Antananarivo zur Baustelle in einer rund 300 km entfernten Kleinstadt stellte er der KehlTech-Delegation das firmeneigene Flugzeug zur Verfügung. Diese staunte jedoch nicht schlecht, als sie am Zielort von der gesamten Flughafen-Belegschaft begrüsst wurde, die zum Salut Spalier standen. Das Flughafenmanagement hatte angenommen, dass der Präsident persönlich in seiner Maschine ankommen würde.
Andere Länder, andere Sitten: Das fällt mir auch in meinem „Job“ auf. Bei meinen Einkaufsausflügen kann mir nicht verborgen bleiben, dass Ostern vor der Türe steht. Wie andernorts auch, türmen sich Ostereier und -hasen in den Regalen, und der Einkauf im Supermarkt gewinnt an Spannung, weil es viel Geschick braucht, um den Einkaufswagen durch die zusätzlichen Hindernisse zu steuern. Das südafrikanische Osterangebot muss ich jedoch genau unter die Lupe nehmen, es unterscheidet sich wesentlich von den mir bekannten Schokoladehasen und Pralineneiern. Die Osterhasen zum Beispiel sind in Südafrika in farbiges Aluminiumpapier verpackt und kommen viel bunter daher als ihre schweizerischen Kollegen, die freizügig ihr braun-schwarz-weisses Schokoladefell zeigen. Pralineneier sind praktisch unbekannt, nur bei Woolworths sieht man eine kleinere Variante. Interessant sind jedoch die mir unbekannten Produkte: Zum Beispiel südafrikanische Schokolade-Ostereier. Die bestehen aus einer Marshmallow -Füllung in weiss und gelb mit dünnem Schokoladeüberzug - meiner Meinung nach sind sie essbar, aber in meiner Familie teilen nicht alle mein Urteil... Dabei kann man diese Schokolade-Eier nur entweder einzeln lose oder in einer Schachtel mit 40 Stück kaufen. Das muss bedeuten, dass die Südafrikaner sie lieben. In den Osterregalen wird man auch von einer rosaroten Abteilung geblendet: Osterleckereien in den Barbie-Farben. Selbstverständlich gibt es das Pendant für Jungs, mit Osterhasen und Ostereiern im Spiderman-Look. Ich bin ganz zufrieden damit, dass Tim bis jetzt noch keine Ahnung hat, wer Spiderman ist und was der so macht. Kommt bestimmt noch früh genug.
Da wir erst seit ein paar Tagen im neuen Haus wohnen, lasse ich die Osterdekorationen im Karton. In der immer noch beträchtlichen Unordnung würden sie sowieso nicht zur Geltung kommen, und ausserdem habe ich keine Geduld, Zweige zu arrangieren und zerbrechliche ausgeblasene Eier daran zu befestigen. Aber eine Tradition will ich mir nicht nehmen lassen: Ostereier zu bemalen. Tim ist alt genug, dass er mitmachen kann.
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