Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
haben, wie uns Rob erklärt, die Briten ihre Gefallenen begraben. Über 1'300 Mann, insgesamt, begraben am Ort, wo sie gefallen sind, mit ihren Schlachtgefährten, mit denen sie Rücken an Rücken ihre letzen Minuten erlebt haben.
Im Landrover durchfahren wir das Schlachtfeld und Rob reiht bequeme Campingstühle auf einer Anhöhe zur Rechten des Berges auf, von wo wir bis weit in die Hügel von KwaZulu-Natal sehen können. Und dann beginnt die eindrücklichste Geschichtsstunde meines Lebens, mit Ausblick auf den Ort des Geschehens.
Mit Buschhut und kurzen Hosen vor uns stehend und seinen knorrigen Wanderstock als Zeigestab und zur Unterstreichung seiner Worte benutzend, lässt Rob vor unseren Augen die Geschehnisse des 22. Januar 1879 vor uns lebendig werden. Er erklärt, wie der Kommandant der Briten seine Truppen aufgeteilt hat, um mit dem grösseren Teil die Zulus an ihrem vermuteten Standort zu bekämpfen, während der kleinere Teil zur Verteidigung des Lagers zurückgelassen wurde.
Wie das Lager nur provisorisch sein sollte, weshalb die Engländer fatalerweise nicht die sonst üblichen Vorkehrungen getroffen hatten wie einen Graben ums Lager zu ziehen, die schweren Ochsenwagen umzukippen und diese als Laager anzuordnen.
Wie die Zulus von ihrem König Cetshwayo die Anweisung erhalten hatten, die Engländer nur beim Marschieren anzugreifen, weil sie sonst mit ihren überlegenen Waffen zu stark seien.
Wie die Zulu-Anführer jedoch das schlecht organisierte britische Lager richtigerweise als leichtes Ziel eingestuft hatten.
„Sandra,“ neigt sich Rob zu mir und tippt mir mit seinem Zeigefinger fast auf die Nase, „und weisst Du, wie viel Kampferfahrung der für das Lager verantwortliche Brevet Lieutenant Colonel Henry Pulleine hatte? – Keine!“ Vor der Antwort auf seine Frage macht er eine kurze rhetorische Pause, denn erwartungsgemäss kann ich nur mit grossen Augen den Kopf schütteln. Dies im Gegensatz zu unseren Begleitern, zwei englischen Ehepaaren, die über den Anglo-Zulu-Krieg durchaus Bescheid wissen. Offenbar wird dieser inklusive der Schlacht bei Isandlwana auch heute noch an englischen Schulen gelehrt, weshalb der grösste Teil der Teilnehmer an den Isandlwana-Touren aus Grossbritannien stammt.
Durch Robs farbige und direkte Erzählweise geführt, sind wir dabei, als die Zulu-Kommandanten mit kehligen Worten ihre Krieger zum Angriff anfeuern. Als die verzweifelten Briten merken, dass sie ihre Verteidigungslinie zu weit gezogen und damit ihre Soldaten zu weit voneinander entfernt und leicht angreifbar gemacht haben. Als sich der Kampf mitten zwischen die Zelte der Briten zieht, wo die Zulus in die Zelte schlüpfen und die englischen Soldaten von innen mit ihren assegai erstechen. Als sich die letzten Überlebenden der englischen Kolonnen auf eine Anhöhe auf dem Berg Isandlwana zurückziehen, wo eine der grössten Steinpyramiden davon zeugt, wie viele Männer hier ihr Leben liessen. Als die nicht bewaffneten Angehörigen der britischen Streitkräfte auf Pferdesrücken in Richtung Buffalo River flüchteten, nur um von den Zulus eingeholt und vom Pferd gerissen zu werden, in den Sümpfen festzustecken oder im reissenden Buffalo River zu ertrinken. Als zwei der britischen Offiziere beim Versuch, die britische Fahne in Sicherheit zu bringen, beim Fluss getötet wurden.
Kino im Kopf. Ganz grosses Kino!
Vor dem Nachtessen werden am Lagerfeuer im boma Getränke serviert. Während Tim seine Freundschaft vertieft mit dem lodge-eigenen Haushund, einem freundlichen Jack Russell Terrier, und Max ihn dabei interessiert beobachtet, versuche ich dem Gespräch der Gäste mit Rob zu folgen. Rob erzählt gerade, wie die hier ansässigen Menschen leben. Dass sie in ihrem kraal wie seit Jahrhunderten keinen Strom und kein fliessendes Wasser hätten. Die Frauen müssen das Wasser immer noch vom Fluss holen, doch zum Kochen und zur Beleuchtung wird nicht mehr Holz, sondern Paraffin benützt.
„Das ist für die Kinder gefährlich. Das Paraffin wird oft in Trinkwasserflaschen wie zum Beispiel alten Coca Cola-Flaschen aufbewahrt, und kleinere Kinder nehmen gerne mal einen Schluck davon“, führt Rob aus. „Zudem ziehen sich die Kinder beim Spielen oder Wärmen im Winter am Feuer Verbrennungen zu.“
Abgesehen von wenigen Errungenschaften der Neuzeit wie Paraffin oder Plastik ist das Leben der Menschen im ländlichen Zululand zu einem grossen Teil immer noch wie in alten Zeiten. Es gibt praktisch keine
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