Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
Privilegien für sich in Anspruch nehmen konnten. Die schönsten Strände standen zum Beispiel den Weissen zur Verfügung, die besten Jobs sowieso, und die andersfarbigen Menschen mussten sich mit dem begnügen, was ihnen noch so zugestanden wurde. Daran ändern konnten sie auf politischem Weg nichts, weil sie kein Wahlrecht besassen. Kein Wunder, dass diese Politik als ungerecht empfunden wurde und die unterdrückten
Menschen begannen, sich in Gruppen zu organisieren, die dann flugs vom Establishment verboten wurden. Die wohl bekannteste dieser Gruppen ist die Partei, welche heute die südafrikanische Regierung bildet: Der African National Congress, ANC. 1912 gegründet, setzte sich die Organisation mit friedlichen Mitteln gegen die Unterdrü-ckung ein. Ihr damaliger Präsident Albert Luthuli erhielt 1960 den Friedens-Nobelpreis für sein Engagement. Nur ein Jahr später führte der ANC jedoch den bewaffneten Kampf ein, worauf die Organisation auch von ausländischen Staaten als terroristische Gruppe eingestuft wurde. Erst 1990 hob der damalige südafrikanische Präsident Frederik de Klerk das Verbot der regierungskritischen politischen Organisationen auf. Dies war der erste Schritt zur Freilassung der politischen Gefangenen und zur Aufhebung der Apartheid.
Der Übergang von der Apartheid-Ära zu einer wahren Demokratie in Südafrika ist bemerkenswert. In diesem Land leben heute Menschen friedlich zusammen, die sich seit Jahrhunderten blutig bekämpft haben, ohne sich jemals miteinander richtig auszusöhnen. Die Kämpfe in Südafrika waren nicht nur zwischen weiss und schwarz, sondern auch zu einem grossen Teil zwischen den schwarzen Stämmen sowie zwischen den beiden weissen Lagern. Eigentlich haben fast alle gegen fast alle irgendwann einmal gekämpft. Eine Versöhnung oder Verbündung mit dem ehemaligen Feind hat nie stattgefunden. Aber auch wenn die Verbitterung zwischen verschiedenen Bevölkerungsteilen heute noch manchmal zu spüren ist, hat man sich in einem gemeinsamen Staat arrangiert.
In dieser schwierigen Wandlung hatte Südafrika das Glück, von ein paar grossartigen Männern geführt zu werden: Bischof Desmond Tutu, Frederik Willem de Klerk und vor allem Nelson Mandela. Alle drei sind Friedensnobelpreisträger. Ihnen und vielen international nicht bekannten Südafrikanern ist es zu verdanken, dass das Land im Übergang vom Apartheid-Regime zur Regierung durch den ANC nicht im Bürgerkrieg versank. Eigentlich wollten sich die Zulus einen eigenen Staat aufbauen, und die Buren bzw. Afrikaaner wollten sich schon im Laager einbunkern... Aber dann folgten die Südafrikaner dem Aufruf ihrer Führer nach truth and reconciliation , also die Wahrheit zu beichten und sich mit dem Feind zu versöhnen. Sie vereinten sich in einem einzigen Staat, auf den sie stolz sind. Proudly South African . In der Rainbow Nation , der Nation aller Farben. Ein kleines Wunder.
Wenn nur andere Länder von Südafrika lernen könnten!
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Das Waschen der Speere
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Lukas muss einen Kunden in KwaZulu-Natal besuchen, einer südafrikanischen Provinz am Meer im Süden von Johannesburg. Praktischerweise findet das Meeting am Freitagnachmittag vor einem langen Wochenende statt, so dass wir beschliessen, die Gegend ein bisschen zu erkunden.
Kurz nach Dundee biegen wir vom Asphalt auf eine ungeteerte Strasse und rattern ziemlich viele Kilometer weit an wilden Wiesen und verstreuten Siedlungen vorbei, immer auf dem Ausguck nach gemütlichen Kühen, kleinen Herden von Ziegen und dünnen Hunden, die hundertmal zahlreicher sind auf der Strasse als Autos. Hier sind wir eindeutig in Afrika. Die Siedlungen bestehen meist aus ein paar Häuschen, die auf staubigem Boden stehen und von einem Zaun aus unbehauenen Ästen und kleinen Baumstämmen umgeben sind. Traditionell, und das sind die Zulus hier auf dem Land, gehört ein solcher kraal einem Mann und seinen Ehefrauen. Polygamie ist hier die Norm. Auch wenn die Frauen zusammen leben, so hat doch jede Anrecht auf ihr eigenes Haus, was die Anzahl der kleineren Häuschen im kraal erklärt. Die traditionell gebauten Häuser der Zulus sind rund oder oval, diese Häuschen werden denn auch
rondavel genannt. Soweit ein erster Augenschein zeigt, wird diese Bauweise jedoch fast nur noch für die Kochhäuschen benützt. Die Wohnhäuser sind viereckig gebaut und verteilen sich nach einem strengen traditionellen System innerhalb des kraals . Dazwischen steht noch der eine oder andere schattenspendende
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