Böse Dinge geschehen
neuen Verdächtigen aufwarten?«
Damit hatte Elizabeth nicht gerechnet. »Und wer soll das sein?«, fragte sie erstaunt.
Hifflyn drehte sich um. »Sandy Vogel«, sagte er. »Lachen Sie nicht. Hören Sie mich an. Nehmen wir an, der Mord an Tom hatte nichts mit Sean zu tun. Nehmen wir an, Sandy hat Tom, Adrian und auch Beccanti getötet. Nehmen wir an, sie hatte ein Motiv dafür, Beccanti umzubringen – sie hatten eine Affäre, und er hat sie wegen einer Jüngeren fallengelassen. Sie hat die anderen getötet, um die Tatsache zu verschleiern, dass Beccanti ihr eigentliches Opfer war.«
Elizabeth blickte an Hifflyn vorbei auf die Äste einer Weide, die im Wind hin und her schwangen.
»Haben Sie sich das gerade ausgedacht?«, fragte sie.
»Nein.«
»Es klingt wie ein Text, den Tom in
Gray Streets
veröffentlicht hätte.«
»Ich glaube, das hat er auch, mehr als einmal«, sagte Hifflyn. »Es ist die Abwandlung eines typischen Szenarios: einen Mord |323| zu vertuschen, indem man so tut, als wäre er der zufällige Teil einer Serie.«
»Sie halten das Ganze aber nicht für sehr plausibel.«
»Es ist genauso plausibel wie die Vorstellung, dass ich Tom getötet habe, weil er die Polizei über Sean informieren wollte. Die Beweise gegen Sandy Vogel sind ungefähr so belastend wie die gegen mich. Nämlich gar nicht.«
Elizabeth zuckte mit den Schultern. »Da müssen Sie sich schon ein bisschen mehr anstrengen, Mr Hifflyn. Mit der Geschichte über Sandy Vogel tun Sie sich keinen großen Gefallen.«
»Ich habe sie mir nicht ausgedacht«, sagte er und schob den Ärmel seines Jacketts ein wenig hoch, um auf die Uhr zu schauen. »Hören Sie, wo soll das alles hinführen? Bin ich verhaftet?«
»Nein.«
»Dann muss ich jetzt gehen, so gern ich auch bleiben und Sie davon überzeugen würde, dass ich Tom Kristoll nicht umgebracht habe.« Er zog seinen Autoschlüssel aus der Tasche. »Meine Frau ist aus Europa zurück. Sie ist gestern Abend in New York gelandet und kommt heute in Detroit an. Ich muss sie abholen.«
»Ach, wirklich?«
»Ich sage es nur, falls Sie beschlossen haben, mich beschatten zu lassen. Ich will Sie nicht in Aufregung versetzen, weil ich zum Flughafen fahre.«
Sein Ton war beiläufig. Er hatte sich wieder fest im Griff – falls das zuvor anders gewesen war.
Elizabeth reagierte mit der gleichen Beiläufigkeit. »Sie planen also nicht, das Land zu verlassen?«
»Ich glaube nicht, dass ich das nötig habe. Außerdem habe ich meinen Reisepass zu Hause gelassen.«
Er drehte sich um und ging zu seinem Wagen zurück. Sie lief ihm nach.
»Meine Frau kommt mit einem Flug der Northwest«, sagte er ruhig. »Flug Nummer 1479, falls Sie meine Darstellung überprüfen wollen. Ich hätte es trotzdem lieber, wenn Sie mir nicht |324| folgten. Aber tun Sie, was Sie wollen. Ich glaube allerdings, Sie sollten Ihre Zeit besser für andere Dinge verwenden.« Er warf seinen Autoschlüssel in die Luft und fing ihn wieder auf. »Sie könnten sich zum Beispiel Gedanken über die Geschichte Sandy Vogel machen. Ich habe sie mir nicht ausgedacht. Ich habe sie von David Loogan gehört.«
|325| 35
Langsam rollten die drei Autos hintereinander die Friedhofsstraße entlang: Vorneweg fuhr Rex Chatterjee, gefolgt von Hifflyn, dahinter Elizabeth und Shan. Am Ende der Straße bog Chatterjee nach links ab und fuhr Richtung Innenstadt, Hifflyn bog nach rechts ab.
Shan folgte ihm und trommelte dabei lässig auf dem Lenkrad herum. Auf dem Beifahrersitz ließ sich Elizabeth durch den Kopf gehen, was Hifflyn ihr über Loogans vormittäglichen Abstecher im Haus der Kristolls erzählt hatte.
Sie fuhren hinter Hifflyn auf die Autobahn und weiter Richtung Osten. Skeptisch hörte sich Shan die Einzelheiten der seltsamen Geschichte Loogans über Sandy Vogel an.
»Beccanti und sie sollen eine Affäre gehabt haben?«, sagte Shan.
»Sagt Loogan«, sagte Elizabeth.
»Und er behauptet, er habe Beweise – Briefe und E-Mails aus ihrem Bürocomputer.«
»Genau.«
»Aber Loogan hat keinerlei Briefe vorgelegt«, sagte Shan. »Wenn es wirklich irgendwelche Briefe gab, dann würde man doch annehmen, dass er sie ausdruckt. Um zu beweisen, dass er die Wahrheit sagt.«
»Ich glaube nicht, dass es irgendwelche Briefe gibt, Carter.«
»Nein? Was will Loogan dann?«
»Er versucht, Tom Kristolls Mörder aus der Reserve zu locken«, sagte Elizabeth. »Er trifft Hifflyn und die anderen und denkt, einer von ihnen könnte der Mörder sein. Er erzählt
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