Böse Freundin (German Edition)
brachte, war Celia schon halb angezogen und speiste ihn mit einem Kuss auf die Stirn ab.
Seinetwegen hätte ihre komische Freundin ruhig ein Stück weiter weg flüchten können als nur in den Nachbarort, irgendwohin jenseits von Celias umtriebigem Aktionsradius. Er hätte nie gedacht, dass Celias Zielstrebigkeit auch eine Schattenseite haben könnte, aber da war sie. Ihr Beharren darauf, dass etwas Gutes dabei herauskommen konnte, wenn sie Leanne besuchte, grenzte für ihn an Märchenglauben. Diese unverbesserliche Sturheit ließ noch am ehesten das Ekelpaket durchscheinen, das Celia nach eigener Behauptung früher gewesen war.
Warren und Noreen, beide Frühaufsteher, würden schon mit frischem Kaffee warten. Huck sah Warren vor sich, der am Herd Spiegeleier briet, während Noreen Obst aufschnitt: das rituelle Samstagsfrühstück. In den ersten Jahren, bis Warren anfing, auf seinen Cholesterinspiegel zu achten, hatte es auch Speck dazu gegeben. Sein Verschwinden erfolgte zeitgleich mit Hucks ersten Zugeständnissen ans Älterwerden – Dehnübungen vor und nach einer Runde Basketball, Schlafenszeit unter der Woche spätestens um halb elf –, Maßnahmen, die eventuell noch vorhandene Illusionen von unsterblicher Jugend für nichtig erklärten. Etwa zu der Zeit, als Huck in Anbetracht seines träger funktionierenden Stoffwechsels den nachmittäglichen Schokoriegel aufgab, hatte er bei einer dreitägigen Konferenz in Wisconsin eine Lehrerin aus North Dakota kennengelernt – einem Bundesstaat, der ihn sonst nicht im mindesten verlockte. Sie hatte göttliches, durch nichts zu bändigendes Haar und eine hinreißende Geschichtslehrerinnenschwäche für Alexander Hamilton. Das Risiko wäre gleich null gewesen; sie wussten voneinander nicht einmal den Nachnamen. Am letzten Abend der Konferenz war Huck in seinem Hotelzimmer auf und ab getigert und hatte die möglichen Konsequenzen eines One-Night-Stands für all seine kommenden Nächte durchdacht. Letztlich hatte er Celia angerufen, sich zu fernmündlichen Perversionen aufgeschwungen und war zufrieden ins Bett gefallen.
Nun stieg er in die Hose vom Vortag, zog ein frisches Hemd an und überlegte, ob er gleich online gehen oder sich erst unten zeigen sollte. Verspätetes Erscheinen, befand er, war weniger unhöflich, als von unten wieder nach oben zu verschwinden, aber er durfte sich nicht zu viel Zeit lassen. Sonst würde der Obstsalat auf Schüsselchen aufgeteilt und mit Plastikfolie abgedeckt sein, Noreen und Warren säßen am Kaffee nippend vor leeren, wartenden Tellern, und ihre fröhliche Behauptung, Huck käme genau zur rechten Zeit, würde von den verschrumpelten Spiegeleiern Lügen gestraft.
Er schlich durch den Flur, um alle weiter glauben zu machen, er liege noch im Bett. Jeremys Zimmer zu betreten erschien ihm als ein Verstoß gegen die unausgesprochenen Regeln ihrer Freundschaft. Beim Weihnachtsfest vor neun Jahren, um die Zeit, als Celias Bruder das Community College und tägliche Treffen der Anonymen Drogensüchtigen besuchte, hatten Jeremy und Huck einander als Schicksalsgenossen und Überlebende einer risikoträchtigen Pubertät erkannt. Huck wusste, dass nur Endorphinrezeptoren, die zufällig anders beschaffen waren, und pures Glück ihm Jeremys Kämpfe erspart hatten. Unterschiedliche Klippen bezwungen zu haben wog für sie beide weniger schwer, als mit dem Leben davongekommen zu sein.
Während er darauf wartete, dass der Computer hochfuhr, entdeckte Huck in einem verwaisten Bücherregal zwei gute Bekannte, neben denen eine Handvoll zwanzigseitiger Würfel Staub ansetzte. Der Ritter zu Pferd auf dem Umschlag von Jeremys Spielerhandbuch für Dungeons & Dragons war Huck so vertraut wie sein eigenes Gesicht, der Greif auf dem Monsterhandbuch ein alter Freund. Huck blies Staub von den Würfeln und erinnerte sich, dass sie ihm damals wie kostbare Edelsteine erschienen waren. Er fühlte sich willkommen geheißen, als er sich wieder dem Computer zuwandte.
Eine solche Unmenge von Bildern auf der Website der Kunstgalerie hatte er nicht erwartet. Er fürchtete schon, die übersehen zu haben, von denen Celia gesprochen hatte, doch da waren sie. Die Figuren von Jocelyn Linke stellten eher Andeutungen als Abbildungen von Mädchengestalten dar: Sie hatten nicht immer die übliche Anzahl von Fingern, manche verfügten über zusätzliche Hände oder Gucklöcher im Rumpf. Die wirklichkeitsgetreuen Gesichter passten nicht zu den Körpern, die Köpfe waren weit
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