Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Ich spreche immer sehr viel, das heißt sehr wortreich, und ich bin stets in Eile, und immer wird nichts daraus. Und warum bin ich so wortreich? Und warum wird nichts daraus? Weil ich nicht sprechen kann. Menschen, die gut sprechen können, sprechen immer kurz. Folglich liegt bei mir ein Mangel an Talent vor, nicht wahr? Aber da der Mangel an Talent bei mir natürlich ist, warum sollte ich ihn nicht künstlich ausnützen? Und ich nutze ihn aus. Zugegeben, als ich mich auf die Reise hierherbegab, meinte ich anfangs, ich sollte schweigen; aber auch Schweigen ist ein großes Talent und ist für mich aus diesem Grunde nicht schicklich, und zweitens ist Schweigen keineswegs ungefährlich; und so habe ich endgültig entschieden, daß es am besten wäre zu sprechen, aber untalentiert, das heißt viel, viel, viel, sehr eilig alles mögliche zu beweisen und am Ende sich grundsätzlich in den eigenen Beweisen zu verhaspeln, damit der Zuhörer, ohne den Schluß abzuwarten, einen stehenläßt, achselzuckend, und sich nicht länger um einen kümmert. Damit wäre erstens erreicht, daß man ihn von der eigenen Einfalt überzeugt, daß man ihm lästig wird und daß man unverstanden bleibt – alle drei Vorteile auf einmal! Ich bitte Sie, wer könnte darauf noch geheime Absichten argwöhnen? Jeder würde sich persönlich beleidigt fühlen, wenn jemand behauptete, daß ich geheime Absichten hätte. Außerdem bringe ich dann und wann die Leute zum Lachen – und das ist schlechterdings kostbar. Die werden mir jetzt alles verzeihen, schon allein deshalb, weil der Schlaukopf, der drüben Proklamationen verfaßte, sich hier dümmer erweist als sie selbst. Nicht wahr? Ich sehe an Ihrem Lächeln, daß Sie mir zustimmen.«
Nikolaj Wsewolodowitsch lächelte übrigens keineswegs, sondern hörte ganz im Gegenteil mit gerunzelter Stirn und leicht ungeduldig zu.
»Wie bitte? Was? Haben Sie ›ganz egal‹ gesagt?« schwatzte Pjotr Stepanowitsch weiter (Nikolaj Wsewolodowitsch hatte gar nichts gesagt). »Freilich, freilich; ich versichere Ihnen, daß ich keineswegs die Absicht habe, Sie durch Kameraderie zu kompromittieren. Aber, wissen Sie, Sie sind heute schrecklich streitsüchtig; ich eile mit offenem Herzen zu Ihnen, Sie aber legen jedes meiner Worte auf die Goldwaage; ich versichere Ihnen, daß ich heute nichts Heikles auch nur erwähnen werde, Ehrenwort, und daß ich alle Ihre Bedingungen im voraus akzeptiere.«
Nikolaj Wsewolodowitsch schwieg hartnäckig.
»Wie bitte? Was? Haben Sie etwas gesagt? Ich merke, ich merke, ich habe offenbar schon wieder etwas verpatzt; Sie haben keine Bedingungen gestellt, und Sie werden auch keine stellen, das glaube ich, das glaube ich, Sie können ruhig sein; ich weiß ja, daß es sich nicht lohnt, mir irgendwelche Bedingungen zu stellen, nicht wahr? Ich kenne Ihre Antworten im voraus und – natürlich aus Mangel an Talent; Mangel an Talent, Mangel an Talent … Sie lachen? Wie bitte? Was?«
»Nichts.« Endlich lächelte Nikolaj Wsewolodowitsch. »Ich erinnerte mich soeben, daß ich wirklich einmal von ›Mangel an Talent‹ gesprochen habe, aber Sie waren damals nicht zugegen. Also hat man es Ihnen zugetragen. Ich möchte bitten, kommen Sie zur Sache.«
»Aber ich bin ja schon bei der Sache, namentlich beim Sonntag!« flötete Pjotr Stepanowitsch. »Wie, wie war ich am Sonntag Ihrer Meinung nach? Namentlich ein sich überschlagender, mittelmäßiger Mangel an Talent, und ich habe mich auf die untalentierteste Weise gewaltsam des Gesprächs bemächtigt. Aber mir wurde alles verziehen, weil ich erstens vom Mond gefallen bin, das ist jetzt für alle hier beschlossene Sache; und zweitens, weil ich eine hübsche, kleine Geschichte erzählt und damit euch allen aus der Patsche geholfen habe, stimmt’s?«
»Das heißt, Sie haben namentlich so erzählt, daß ein Zweifel blieb und unser Einvernehmen und abgekartetes Spiel deutlich wurde, während von einem Einvernehmen keine Rede war und ich Sie um gar nichts gebeten hatte.«
»Namentlich, namentlich!« fiel Pjotr Stepanowitsch scheinbar entzückt ein. »Ich habe das alles namentlich so gemacht, damit Sie diese Triebfeder entdecken; ich habe doch vor allem für Sie Komödie gespielt, weil ich Sie angeln und Sie kompromittieren wollte. Vor allem wollte ich herausfinden, wie sehr Sie sich fürchten.«
»Interessant, warum sind Sie jetzt so aufrichtig?«
»Ärgern Sie sich nicht, ärgern Sie sich nicht, funkeln Sie nicht so mit den Augen … Übrigens,
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