Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Brief als auch durch das Gedicht. Sogar Sie sollen sich, wie man hört, erzürnt haben, nicht wahr – schmerzlich für mich; ich wollte es gar nicht wahrhaben. Wem könnte ich denn durch die reinste Einbildungskraft irgendwie schaden? Und außerdem, auf Ehre, es war Liputin: ›Schick’s ihr, schick’s ihr, jeder hat das Recht auf Korrespondenz‹, und da hab’ ich’s geschickt.«
»Sie sollen sich als Bräutigam proponiert haben?«
»Feinde, Feinde, nichts als Feinde!«
»Sagen Sie das Gedicht auf!« unterbrach ihn Nikolaj Wsewolodowitsch streng.
»Phantasie, nichts als Phantasie.«
Dennoch richtete er sich auf, streckte den Arm aus und begann:
Die schönste aller Schönen brach ein Glied
Und wurde doppelt so interessant,
Und doppelt verliebt erklang das Lied
Des ohnehin Verliebten bis zum Rand.
»Genügt«, Nikolaj Wsewolodowitsch winkte ab.
»Ich träume von Piter .« Lebjadkin wechselte eilig das Thema, als hätte es das Gedicht gar nicht gegeben, »ich träume von einer Wiedergeburt … mein Wohltäter! Darf ich darauf zählen, daß Sie mir das Reisegeld nicht verweigern werden? Ich habe die ganze Woche auf Sie wie auf die Sonne gewartet.«
»Nein, Sie müssen mich schon entschuldigen. Mir sind fast keine Mittel geblieben, und ich weiß nicht, warum ich Ihnen Geld geben sollte? …«
Nikolaj Wsewolodowitsch schien plötzlich verärgert. Trocken und knapp zählte er alle Verbrechen des Hauptmanns auf: Saufen, Lügen, Veruntreuen des für Marja Timofejewna bestimmten Geldes, ihre Entführung aus dem Kloster, die dreisten Briefe mit der Drohung, das Geheimnis bekanntzugeben, die Geschichte mit Darja Pawlowna und so weiter, und so weiter. Der Hauptmann geriet in Bewegung, gestikulierte, wollte sich rechtfertigen, aber Nikolaj Wsewolodowitsch schnitt ihm jedesmal gebieterisch das Wort ab.
»Erlauben Sie«, bemerkte er schließlich, »Sie schreiben immer wieder von ›Familienschande‹. Welche Schande sehen Sie darin, daß Ihre Schwester die legitime Ehefrau eines Stawrogin ist?«
»Aber eine Ehe unter dem Mantel der Verschwiegenheit, Nikolaj Wsewolodowitsch, unter dem Mantel der Verschwiegenheit! Ein Geheimnis des Fatums! Ich bekomme von Ihnen Geld, und plötzlich stellt man mir die Frage: Wofür bekomme ich dieses Geld? Ich bin gebunden und darf nicht antworten, zum Schaden meiner Schwester und zum Schaden der Familienehre.«
Der Hauptmann hatte in einem gehobenen Ton gesprochen; er liebte dieses Thema und verband damit große Hoffnungen. Leider ahnte er nicht einmal, welche Überraschung ihn erwartete. Ruhig und genau, als handle es sich um eine ganz alltägliche, häusliche Anordnung, teilte ihm Nikolaj Wsewolodowitsch seine Absicht mit, in den nächsten Tagen, vielleicht sogar schon morgen oder übermorgen, seine Ehe allerorten bekanntzugeben, ›sowohl bei der Polizei als auch in der Gesellschaft‹, womit die Frage der Familienehre sich erübrige, desgleichen die Frage der Subsistenz. Der Hauptmann riß die Augen auf; er hatte es einfach nicht begriffen; Stawrogin mußte es ihm noch einmal erklären.
»Aber sie ist doch … verrückt!«
»Ich werde entsprechende Maßnahmen treffen.«
»Aber … Ihre Frau Mutter?«
»Ich kann ihr nicht helfen.«
»Aber Sie werden doch Ihre Gattin in Ihr Haus einführen?«
»Vielleicht auch das. Allerdings geht Sie das nichts an, und Sie haben sich darum nicht zu kümmern.«
»Nicht zu kümmern!« rief der Hauptmann. »Und was soll mit mir werden?«
»Nun, Sie werden in das Haus nicht eingeführt, versteht sich.«
»Aber ich bin doch ein Verwandter.«
»Vor solchen Verwandten sucht man das Weite. Warum sollte ich Ihnen dann Geld geben, fragen Sie sich doch selbst!«
»Nikolaj Wsewolodowitsch, Nikolaj Wsewolodowitsch, das kann doch nicht sein, Sie werden es sich vielleicht noch einmal überlegen, Sie werden doch nicht selbst Hand an sich legen … Was denkt, was sagt dazu die große Welt?«
»Was kümmert mich schon Ihre Welt? Habe ich Ihre Schwester damals nicht geheiratet, als mir eben danach war, nach einem Saufabend mit einer Wette um eine Flasche Wein, und werde ich es jetzt nicht öffentlich bekanntgeben … wenn es mir jetzt Spaß macht?«
Das klang irgendwie eigentümlich gereizt, so daß Lebjadkin entsetzt an den Ernst seiner Worte zu glauben begann.
»Und ich? Was wird mit mir, ich bin doch dabei die Hauptsache! … Sie belieben vielleicht zu scherzen, Nikolaj Wsewolodowitsch?«
»Nein, ich scherze nicht.«
»Alles, was recht
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