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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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wenn Sie wünschen, sorge ich dafür. Agafja schläft nicht.«
    »Sagen Sie, Marja Timofejewna …«
    »Hier, hier«, fiel ihm Lebjadkin flüsternd ins Wort. »Möchten Sie einen Blick hineinwerfen?« Mit diesen Worten deutete er auf die angelehnte Tür zum Nebenzimmer.
    »… schläft nicht?«
    »Aber nein, nein, wie wäre das möglich! Im Gegenteil, den ganzen Abend hat sie gewartet, und als sie kürzlich davon erfuhr, machte sie sogleich Toilette …«, er wollte schon den Mund zu einem neckischen Lächeln verziehen, stockte aber sofort.
    »Wie geht es ihr im allgemeinen?« fragte Nikolaj Wsewolodowitsch stirnrunzelnd.
    »Im allgemeinen? Sie haben doch die Güte, dieses selbst zu wissen« (er hob bedauernd die Schultern), »und jetzt … jetzt sitzt sie da und legt Karten …«
    »Gut, später; zuerst muß ich mit Ihnen zu einem Ende kommen.«
    Nikolaj Wsewolodowitsch setzte sich auf einen Stuhl.
    Der Hauptmann wagte nicht, sich auf das Sofa zu setzen, sondern rückte schnell den anderen Stuhl herbei und beugte sich vibrierend vor Erwartung vor, um sich nichts entgehen zu lassen.
    »Und was haben Sie dort in der Ecke, unter der Tischdecke?« fragte, plötzlich aufmerksam geworden, Nikolaj Wsewolodowitsch.
    »Das da?« Lebjadkin drehte sich gleichfalls um. »Auch das ist Ihrer Freigebigkeit zu verdanken, um den Einzug, sozusagen, zu begehen, insbesondere jedoch der Beschwerden des weiten Weges und der natürlichen Ermüdung gedenkend.« Er kicherte rührselig, stand auf und hob dann, auf Zehenspitzen, ehrfürchtig und behutsam, die Decke von dem Tischchen in der Ecke. Darunter kam eine vorbereitete Sakuska zum Vorschein: Schinken, Kalbsbraten, Ölsardinen, Käse, eine kleine, grünliche Karaffe und eine hohe Flasche Bordeaux; alles appetitlich, mit Sachkenntnis und beinahe raffiniert angerichtet.
    »Haben Sie das alles besorgt?«
    »Ich! Schon gestern, alles, alles, was ich vermochte, um Ehre zu erweisen … Marja Timofejewna sind derlei Dinge, wie Sie selber wissen, gleichgültig. Hauptsache, alles dank Ihrer Freigebigkeit, alles ist Ihr Eigentum, da Sie hier der Hausherr sind und nicht ich, und ich, ich bin sozusagen nichts als Ihr Verwalter, denn immerhin, immerhin, Nikolaj Wsewolodowitsch, immerhin bin ich im Geiste unabhängig! Diese meine letzte Habe werden Sie mir nicht nehmen!« schloß er rührselig.
    »Hm! … Sie sollten sich wieder setzen.«
    »Da-a-nkbar, dankbar und unabhängig!« (Er setzte sich wieder.) »Oh, Nikolaj Wsewolodowitsch, dieses Herz ist so sehr, zum Überlaufen voll, daß ich nicht wußte, wie ich Sie erwarten sollte! Sie wollen jetzt mein Schicksal und das … jener Unglücklichen lösen, und dann … dann darf ich, wie einst in alten Zeiten, mein Herz vor Ihnen ausschütten, wie vor vier Jahren! Haben Sie mich doch damals Ihrer Aufmerksamkeit gewürdigt, meine Verse gelesen … Und wenn man mich damals Ihren Falstaff aus Shakespeare nannte – aber Sie haben soviel in meinem Schicksal bedeutet! … Ich aber lebe jetzt in größten Ängsten, und Sie sind der einzige, von dem ich Rat erhoffe und Licht. Pjotr Stepanowitsch maltraitiert mich ganz entsetzlich!«
    Nikolaj Wsewolodowitsch hörte interessiert zu und musterte ihn aufmerksam. Es war offenkundig, daß Hauptmann Lebjadkin zwar aufgehört hatte zu trinken, sich aber dennoch in einem keineswegs harmonischen Zustand befand. In solchen chronischen Trinkern entsteht schließlich, und für immer, etwas Ungereimtes und Unklares, gleichsam eine Schädigung und geistige Störung, die sie übrigens nicht hindert, nach Bedarf zu betrügen, zu überlisten und zu übervorteilen, genau so gut wie andere.
    »Ich sehe, daß Sie sich überhaupt nicht verändert haben, Hauptmann, in diesen mehr als vier Jahren«, sagte Nikolaj Wsewolodowitsch ein wenig freundlicher. »Es scheint zuzutreffen, daß die zweite Lebenshälfte des Menschen nur aus den Gewohnheiten besteht, die sich in der ersten gebildet haben.«
    »Welch erhabene Worte! Sie lösen das Rätsel des Lebens!« rief der Hauptmann aus, halb aus Berechnung, halb in wirklich ungeheucheltem Entzücken, denn er war ein großer Liebhaber des Bonmots. »Von allen Ihren Worten, Nikolaj Wsewolodowitsch, erinnere ich mich am besten an das eine, Sie haben es noch in Petersburg gesagt: ›Man muß ein wirklich großer Mensch sein, um sich sogar gegen den gesunden Menschenverstand zu behaupten‹. So!«
    »Na ja, genausogut ein Dummkopf.«
    »Mag sein, meinetwegen auch ein Dummkopf, aber Sie

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