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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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am meisten auf, so daß es mir unmöglich ist, über ihn speziell nicht einige Worte zu sagen.
    II
    BIS jetzt hat sich uns keine Gelegenheit geboten, auf sein Äußeres einzugehen. Er war ein Mann von hohem Wuchs, weiß, gut im Futter, wie das Volk sagt, beinahe fett, mit blondem, dünnem Haar, etwa dreiunddreißig Jahre alt und sogar mit, zugegeben, schönen Gesichtszügen. Er hatte seinen Dienst quittiert im Range eines Obersten und wäre, wenn er sich bis zum General hochgedient hätte, im Rang eines Generals noch imposanter und, sehr möglich, ein prächtiger Frontgeneral gewesen.
    Es darf nicht unerwähnt bleiben bei der Charakteristik seiner Person, daß der eigentliche Grund, den Dienst zu quittieren, der ihn lange und quälend verfolgende Gedanke an die Familienschande gewesen war, jene Beleidigung seines Vaters im Club vor vier Jahren durch Nikolaj Stawrogin. Er glaubte aufrichtig, daß es ehrlos wäre, im Dienst zu bleiben, und war im stillen davon überzeugt, ein Schandfleck für sein Regiment und seine Kameraden zu sein, obwohl kein einziger unter ihnen von dem Geschehenen je gehört hatte. Er hatte freilich auch schon früher die Absicht gehabt, den Dienst zu quittieren, schon lange, lange vor dieser Beleidigung und aus einem völlig anderen Grund, aber bis dahin immer noch geschwankt. Wie sonderbar es sich geschrieben auch ausnehmen mag, dieser erste Grund oder, besser gesagt, Impuls, den Dienst zu quittieren, war das Manifest vom 19. Februar über die Bauernbefreiung. Artemij Pawlowitsch, der reichste Gutsbesitzer unseres Gouvernements, der durch das Manifest nicht einmal besonders litt, der, mehr noch, durchaus imstande war, die Humanität dieser Maßnahme zu schätzen, und fähig, die ökonomischen Vorteile der Reform einzusehen, fühlte sich plötzlich seit dem Erscheinen des Manifests gleichsam persönlich gekränkt. Es war etwas Unbewußtes, eine Art Gefühl, aber je dunkler, desto heftiger. Bis zum Tode seines Vaters hatte er es allerdings nicht über sich bringen können, Entscheidendes zu unternehmen; aber in Petersburg weckte seine »vornehme« Gesinnung die Aufmerksamkeit vieler bemerkenswerter Persönlichkeiten, mit denen er rege Verbindungen unterhielt. Er war ein in sich gekehrter, verschlossener Mensch. Ein weiterer Charakterzug: Er gehörte zu den in Rußland seltenen, aber immerhin noch überlebenden Repräsentanten des Adels, die außerordentlichen Wert auf Alter und Reinheit ihres Stammbaums legen und sich mit übertriebenem Ernst dafür interessieren. Zugleich aber verabscheute er die russische Geschichte und hielt überhaupt die russischen Sitten und Gebräuche zum Teil für Schweinerei. Schon in seiner frühesten Jugend, in jener speziellen Militärschule für die vornehmsten und reichsten Zöglinge, in der er die Ehre hatte, seine Ausbildung zu beginnen und zu beenden, hatten einige poetische Anschauungen in seiner Seele Wurzel geschlagen: Er hatte Geschmack gefunden an Burgen, am mittelalterlichen Leben, das heißt am mittelalterlichen Leben in der Opernfassung, am Rittertum; schon damals schämte er sich beinahe bis zu Tränen, daß der Zar einen russischen Bojaren zu Zeiten des Moskauer Reichs hatte körperlich züchtigen können, und errötete bei Vergleichen. Dieser unbeugsame, außerordentlich strenge Mann, der seinen Dienst hervorragend versah und seine Pflichten exzellent erfüllte, war in seiner Seele ein Träumer. Es wurde behauptet, daß er in der Öffentlichkeit auftreten könne und die Gabe der Rede besäße; aber dies hatte er seine ganzen dreiunddreißig Jahre lang für sich behalten. Sogar in jenen bedeutenden Petersburger Kreisen, in denen er in letzter Zeit verkehrte, legte er einen außerordentlichen Hochmut an den Tag. Als er in Petersburg Nikolaj Wsewolodowitsch begegnete, der soeben aus dem Ausland zurückgekehrt war, glaubte er, den Verstand zu verlieren. In diesem Augenblick, an der Barriere, befand er sich in größter Erregung. Er fürchtete immer noch, daß das Duell aus irgendeinem Grunde nicht stattfinden würde, und die geringste Verzögerung ließ ihn zittern und bangen. Sein Gesicht verzerrte sich wie im Schmerz, als Kirillow plötzlich, statt das Kommando zu geben, zu reden anfing, freilich nur pro forma, was er selbst laut verkündete:
    »Nur pro forma; jetzt, mit den Pistolen in der Hand, da das Kommando kommen muß, möchten Sie sich zum letzten Mal versöhnen? Die Pflicht des Sekundanten.«
    Ausgerechnet jetzt griff Mawrikij Nikolajewitsch,

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