Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
daß sie schon an den himmlischen Schöpfer, der uns aus Erdenstaub geschaffen hat, nicht für eine Kopeke glauben, sondern sagen, daß alles nur die Natur so eingerichtet hat, bis auf das letzte Tierchen, das alles nicht mitgerechnet, haben sie kein Verständnis dafür, daß unsereins bei seinem Geschick ohne wohltätige Unterstützung nicht ein noch aus weiß. Und wenn man’s ihm auseinandersetzt, glotzt er wie ein Hammel ins Wasser. Da kann man sich nur wundern. Hier, ob Sie’s mir glauben oder nicht, beim Hauptmann Lebjadkin, dem Sie soeben einen Besuch abzustatten geruhten, als die beiden, noch vor Ihrer Zeit, im Hause Filippow wohnten, da stand manchmal die Tür die ganze Nacht sperrangelweit offen, und der pennte wie’n Toter, und das Geld rollte aus allen Taschen auf den Boden. Ich hab’s selbst in Augenschein nehmen müssen, weil in unserm Fall ist ohne Unterstützung nichts zu machen, gar nichts …«
»In Augenschein? Bist du etwa nachts drin gewesen?«
»Könnte schon sein, daß ich drin gewesen bin, aber wissen tut keiner was.«
»Und warum hast du ihn nicht erstochen?«
»Hab’s mir durchgerechnet und mich zurückgehalten. Weil’s sich nicht rentiert, sobald ich unverbrüchlich wußte, daß ich an anderthalbhundert jederzeit ’rankommen kann, aber ganze anderthalbtausend in Aussicht habe, wenn ich nur zuwarte. Weil der Hauptmann Lebjadkin (hab’ ich mit eigenen Ohren gehört) im trunkenen Zustand immer große Hoffnungen auf Sie setzten, und es gibt hier kein Wirtshaus, nicht einmal eine jämmerliche Spelunke, wo der Herr Hauptmann nicht in eigener Person herumtrompetet haben, in diesem besonderen Zustand eben. Also habe auch ich, da ich aus vieler Munde davon hörte, alle meine Hoffnungen auf Euer Erlaucht gesetzt. Ich bin zu Ihnen, gnädiger Herr, wie zum eigenen Vater oder leiblichen Bruder, und deshalb wird Pjotr Stepanowitsch nichts von mir erfahren und auch sonst keine Menschenseele. Wie steht’s also nun mit den drei Rubeln, Euer Erlaucht, haben Sie die Gnade oder nicht? Geben Sie mir einen Wink, gnäd’ger Herr, damit ich, sozusagen, die volle Wahrheit weiß, weil in unserm Falle ohne Unterstützung nichts zu machen ist.«
Nikolaj Wsewolodowitsch lachte laut, zog aus der Tasche das Portemonnaie, in dem an die fünfzig Rubel in kleinen Scheinen steckten, und warf ihm einen Schein aus dem Packen zu, dann einen zweiten, dritten und vierten. Fedjka schnappte nach ihnen, sprang hin und her, die Scheine flatterten in den Kot, Fedjka fing sie auf und rief da: »Ach, äch!« Endlich warf Nikolaj Wsewolodowitsch das ganze Päckchen nach ihm und setzte, immer noch lachend, seinen Weg durch die Gasse fort, nun allein. Der Landstreicher blieb zurück, rutschte auf den Knien im Kot herum und suchte die Scheine zusammen, die ein Windstoß auseinandergeweht hatte und die in den Pfützen ertranken, und eine ganze Stunde lang hörte man im Dunkeln seine abgerissenen Ausrufe: »Ach, äch!«
Drittes Kapitel
Der Zweikampf
I
AM nächsten Tag, um zwei Uhr mittags, fand das verabredete Duell statt. Der rasche Ablauf der Ereignisse wurde von dem unbezähmbaren Verlangen Artemij Pawlowitsch Gaganows, sich um jeden Preis zu schlagen, begünstigt. Er hatte das Verhalten seines Gegners nie verstehen können und tobte vor Wut. Schon einen ganzen Monat hatte er ihn ungestraft beleidigt, aber es war ihm noch nicht gelungen, ihn aus der Fassung zu bringen. Die Forderung hatte notwendigerweise von seiten Nikolaj Wsewolodowitschs erfolgen müssen, da er selbst keinen direkten Anlaß zu einer Forderung nennen konnte. Seine heimlichen Antriebe, das heißt den geradezu krankhaften Haß gegen Stawrogin wegen der vier Jahre zurückliegenden Familienkränkung, schämte er sich aus irgendeinem Grunde zuzugeben. Er selbst hielt einen solchen Anlaß für unmöglich, besonders angesichts der demütigen Entschuldigungen, die Nikolaj Wsewolodowitsch ihm bereits zweimal angeboten hatte. Er entschied im stillen, daß dieser ein schamloser Feigling sei, und begriff nicht, wie er Schatows Ohrfeige hatte hinnehmen können; endlich entschloß er sich, jenen unübertroffen groben Brief zu schreiben, der endlich sogar Nikolaj Wsewolodowitsch veranlaßt hatte, ein Duell anzubieten. Nachdem er am Vorabend diesen Brief abgeschickt, in fieberhafter Ungeduld auf die Forderung gewartet und schmerzlich getroffen sich seine Chancen ausgerechnet hatte, bald hoffend, bald verzagend, hatte er sich für alle Fälle noch am selben Abend einen
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