Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Ihren ganzen Stolz und Ihren bösen Geist werden Sie in den Staub treten. Als Sieger werden Sie enden, die Freiheit werden Sie erringen …«
Seine Augen leuchteten, mit einer bittenden Gebärde faltete er die Hände.
»Sie möchten ganz einfach den Skandal vermeiden, und Sie stellen mir eine Falle, mein guter Vater Tichon«, sprach Stawrogin herablassend und ärgerlich durch die Zähne und machte Anstalten aufzustehen. »Kurz, Sie möchten, daß ich zur Raison komme, vielleicht heirate und mein Leben hier als Clubmitglied beschließe, wobei ich an jedem Feiertag Ihr Kloster besuche. Freilich, eine Kirchenbuße! Übrigens ahnen Sie wohl als Seelenkundiger, daß dies alles zweifellos genau so eintreten wird und daß es sich jetzt nur darum handelt, mir anstandshalber in diesem Sinne zuzureden, da ich selber mir nichts sehnlicher wünsche, nicht wahr?«
Er lachte gezwungen.
»Nein, das ist nicht die richtige Epitimie, ich denke mir eine andere«, fuhr Tichon mit Feuer fort, ohne das Lachen und die Bemerkung Stawrogins auch nur im geringsten zu beachten. »Ich kenne einen Starez, nicht hier, aber nicht weit von hier, einen Einsiedler und Asket von solch wahrhaft christlicher Weisheit, wie wir beide sie nie begreifen werden. Er wird meine Bitte erhören. Ich werde ihm alles von Ihnen erzählen. Gehen Sie zu ihm, und geben Sie sich seiner Führung anheim, vielleicht für fünf oder sieben Jahre, so lange, wie Sie es im Lauf der Zeit für nötig befinden werden. Legen Sie ein Gelübde ab, und mit diesem großen Opfer werden Sie alles erkaufen, wonach es Sie dürstet, und sogar Unverhofftes, denn Sie können jetzt nicht einmal ahnen, was Ihnen zuteil werden wird!«
Stawrogin hörte aufmerksam, sogar sehr aufmerksam seinen letzten Vorschlag an.
»Sie schlagen mir ganz einfach vor, als Mönch in jenes Kloster einzutreten? Bei aller Achtung, die ich Ihnen entgegenbringe, sollte ich gerade damit gerechnet haben. Nun, darauf muß ich Ihnen gestehen, daß in Augenblicken von Kleinmut mir bereits mehrmals der flüchtige Gedanke gekommen ist, mich, sobald diese Blätter veröffentlicht sind, wenigstens vorübergehend vor den Menschen in ein Kloster zurückzuziehen. Aber ich bin im selben Augenblick über diese Gemeinheit vor Scham errötet. Allerdings, mich als Mönch einkleiden zu lassen – darauf bin ich selbst im Augenblick der kleinmütigsten Angst nicht verfallen.«
»Sie brauchen nicht im Kloster zu leben, Sie brauchen sich nicht einkleiden zu lassen, nur als heimlicher geistlicher Sohn, ohne sich der Welt zu offenbaren, es ist möglich, ganz im weltlichen Leben zu bleiben …«
»Lassen Sie das, Vater Tichon«, unterbrach ihn Stawrogin angewidert und stand von seinem Stuhl auf. Tichon erhob sich ebenfalls.
»Was haben Sie?« rief er plötzlich aus und blickte Tichon beinahe erschrocken an. Dieser stand vor ihm, hatte die Arme mit aneinandergelegten Handflächen nach vorne ausgestreckt, und ein schmerzhafter Krampf, anscheinend äußersten Schreckens, zuckte über sein Gesicht.
»Was haben Sie? Was haben Sie?« wiederholte Stawrogin und sprang auf ihn zu, um ihn zu stützen. Er glaubte, Tichon würde zusammenbrechen.
»Ich sehe wie mit meinen leiblichen Augen«, rief Tichon mit herzdurchdringender Stimme und mit dem Ausdruck des tiefsten Grams, »daß Sie, armer verlorener Jüngling, noch niemals so nahe vor dem allerschrecklichsten Verbrechen gestanden haben wie in diesem Augenblick!«
»Beruhigen Sie sich«, wiederholte Stawrogin, der wirklich um ihn besorgt war, »ich schiebe es vielleicht noch auf … Sie haben recht, ich werde es vielleicht nicht aushalten und aus Bosheit ein neues Verbrechen begehen … Es ist alles so … Sie haben recht, ich werde es aufschieben.«
»Nein, nicht nach der Veröffentlichung, sondern noch vor der Veröffentlichung dieser Blätter, einen Tag, vielleicht eine Stunde vor dem großen Schritt werden Sie sich in ein neues Verbrechen stürzen, wie in einen Ausweg, nur um die Veröffentlichung dieser Blätter zu vermeiden! «
Stawrogin, fast erschrocken, war so zornig, daß er sogar förmlich zitterte.
»Verdammter Psychologe!« stieß er plötzlich wütend hervor und verließ, ohne sich umzublicken, die Zelle.
Elftes Kapitel
Die Flibustier. Der verhängnisvolle Vormittag
I
DER Zwischenfall, den wir unterwegs erlebten, war in der Tat höchst erstaunlich. Doch alles soll der Reihe nach erzählt werden. Ungefähr eine Stunde, bevor Stepan Trofimowitsch und ich aus dem
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