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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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wieder eine Flasche.

Drittes Kapitel
    Fremde Sünden
    I
    ES verging eine Woche, und die Lage begann sich ein wenig zu klären.
    Ich bemerke beiläufig, daß ich in dieser unglückseligen Woche, die ich fast ununterbrochen an der Seite meines bedauernswerten verlobten Freundes als sein nächster Konfident verbrachte, manches auszustehen hatte. Er schämte sich, das war es, was ihn am meisten quälte, obwohl wir diese ganze Woche hindurch keinen Menschen sahen und immer allein zu Hause saßen; aber er schämte sich sogar vor mir, und das ging so weit, daß er um so unwilliger wurde, je mehr er mir anvertraute. Argwöhnisch vermutete er, daß alles bereits allen bekannt sei, der ganzen Stadt, und traute sich sogar nicht einmal, in seinem Zirkel zu erscheinen, geschweige denn im Club. Sogar seine Spaziergänge, die er um der vorgeschriebenen Motion willen zu absolvieren hatte, unternahm er nur in den Abendstunden, wenn es vollständig dunkel war.
    Eine Woche war verstrichen, und er wußte immer noch nicht, ob er nun Bräutigam wäre oder nicht, und hatte, so sehr er sich auch bemühte, nichts Zuverlässiges darüber in Erfahrung gebracht. Seine Braut hatte er immer noch nicht gesehen und wußte ja nicht einmal, ob sie seine Braut wäre; er wußte sogar nicht einmal, ob das Ganze überhaupt ernstgemeint wäre oder nicht! Aus irgendeinem Grunde lehnte Warwara Petrowna es kategorisch ab, ihn zu empfangen. Auf einen seiner ersten Briefe (und er hatte deren eine ganze Menge geschrieben) antwortete sie unumwunden mit der Bitte, ihr eine Zeitlang, da sie sehr beschäftigt sei, jeglichen Verkehr mit ihm zu ersparen, obwohl sie ihrerseits ihm manche wichtige Mitteilung zu machen habe und deshalb ausdrücklich auf eine günstige Gelegenheit, eine freie Minute warte, um ihn zu gegebener Zeit wissen zu lassen, wann ihr sein Besuch genehm sei. Seine Briefe versprach sie ungeöffnet zurückzuschicken, denn sie seien »reine Spielerei«. Diesen Zettel habe ich selbst gelesen; er hat ihn mir gezeigt.
    Und dennoch: all diese Grobheiten und Unbestimmtheiten, all dies war nichts im Vergleich zu seiner größten Sorge. Diese Sorge quälte ihn über die Maßen, unablässig; sie war der Grund, weshalb er abmagerte und niedergeschlagen war. Da war etwas, dessen er sich am allermeisten schämte und worüber er um keinen Preis zu sprechen bereit war, nicht einmal mit mir; im Gegenteil, er belog mich und wich mir aus wie ein kleiner Junge; dabei ließ er mich alle Tage holen, keine zwei Stunden konnte er ohne mich sein, er brauchte mich wie Wasser oder Luft.
    Dieses Benehmen verletzte meinen Ehrgeiz nicht wenig. Selbstverständlich hatte ich schon längst sein größtes Geheimnis im stillen erraten und durchschaut. Nach meiner damaligen innersten Überzeugung hätte die Enthüllung dieses Geheimnisses, dieser größten Sorge Stepan Trofimowitschs, ihm keineswegs zur Ehre gereicht, und daher nahm ich, als ein noch junger Mensch, ihm die Roheit seiner Gefühle und die Unschicklichkeit seines Argwohns einigermaßen übel. In meinem Eifer – und, ich muß es bekennen, meiner Rolle als Konfident überdrüssig – war ich vielleicht ihm gegenüber nicht ganz gerecht. Grausam, wie ich war, wollte ich sein volles Geständnis erzwingen, obwohl ich im übrigen zugeben mußte, daß es durchaus nicht einfach war, gewisse Dinge zu gestehen. Er hatte mich ebenfalls durchschaut, das heißt, er hatte klar erkannt, daß ich ihn durchschaute und mich sogar über ihn ärgerte, und ärgerte sich über mich, weil ich mich über ihn ärgerte und ihn durchschaute. Mag sein, mein Groll war kleinlich und dumm; aber die Zweisamkeit kann zuweilen der wahren Freundschaft außerordentlich abträglich sein. In gewisser Hinsicht schätzte er einige Seiten seiner Lage richtig ein und charakterisierte sie sogar sehr treffend, und zwar in jenen Punkten, die zu verschweigen er nicht für notwendig hielt.
    »Oh, wie war sie damals!« entschlüpfte es ihm manchmal, wenn er mit mir über Warwara Petrowna sprach. »Wie war sie früher, als wir noch miteinander sprachen … Wissen Sie eigentlich, daß sie damals noch sprechen konnte? Können Sie mir glauben, daß sie damals Ideen hatte, eigene Ideen? Jetzt ist alles anders geworden! Sie sagt, das sei alles nur altmodisches Gerede. Sie verachtet das, was früher … Jetzt ist sie eher ein Verwalter, ein Ökonom, verbittert und immer zornig …«
    »Weswegen ist sie denn jetzt zornig, da Sie doch auf ihre Forderung eingegangen

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